Wer war Johannes, der Täufer?
Aktualisiert: 30. Aug.

Das äußerst vielschichtige Bild, das Mk von Johannes zeichnet, unterscheidet sich in bemerkenswerten Details von den Rekonstruktionen der Historischen Jesusforschung. Deren Deutungen beruhen vor allem auf den Angaben des Matthäus, in geringerem Umfang auch des Lukas.
Paulus kennt zwar die Tradition der Tauche, die er ausführlich theologisch reflektiert, nicht aber einen Akteur namens Johannes, geschweige denn dessen Titel der Eintauchende. Historisch gesehen ist Mk also der erste, der von ihm erzählt. Deshalb könnten alle weiteren Darstellungen von ihm abhängig sein.
Das gilt sogar für den Juden Josephus, der sein Johannesbild aus dem zum Historikerbericht stilisierten Lukas-Evangelium gewonnen und für seine Chronik des Judentums adaptiert haben könnte (Vgl. Antiquitates Judaicae XVIII 5,2 §116-119).
Sollten die Differenzen in den Darstellungen der Evangelien und des Josephus sich allein den je unterschiedlichen Erzähl-Interessen ihrer Autoren verdanken, würde sich die Frage erübrigen, welche Quellen sie dafür zur Verfügung hatten. Nichts weist darauf hin, dass es voneinander unabhängige Erzähl-Traditionen über Johannes gegeben haben muss.
Im Unterschied zu Josephus beziehen die Evangelien ihn und seinen deutungsoffenen Akt des Eintauchens auf Jesus. Die Frage hier wird deshalb sein, welche Bedeutung dem prominenten Akteur im Text des Mk zukommt. Welche Rolle ein historischer Johannes für Jesus gespielt haben mag, ist unklar – und in diesem Kontext unerheblich.
Das Bild des Mk ist von der literarisch kunstvollen Konzeption so stark geprägt, dass es der Rekonstruktion einer historischen Persönlichkeit ohnehin kaum dienen kann. Das muss nicht heißen, dass es einen eintauchenden Johannes nie gegeben hätte. Doch von Mk her muss die Frage offen bleiben, wer Johannes war.
Mit Blick auf den Text ist es dagegen geboten, die komplexe Art der Darstellung zu erfassen, die vielfach auf Andeutungen beschränkt und dementsprechend uneindeutig zu interpretieren ist. Für die Erzählweise des Mk ist bezeichnend, dass er wichtige Aussagen gleichsam zwischen den Zeilen versteckt. Diese für ihn typische Kunst des Andeutens ist die der uneigentlichen Sprache, einem Stilmittel etwa der Satire.
Trotz der beträchtlichen Unterschiede der Darstellung kommt Johannes in den Evangelien eine jeweils wichtige narrative Funktion zu. Bei Mk ist damit zu rechnen, dass sein ungewöhnliches Erscheinungsbild befremdlich und sein Auftreten vergeblich wirken sollen.
Sein ohne das Wort Mantel genanntes Kamelhaar (umhüllt von Kamelhaaren; 1.6) findet einen vagen Anhalt in der prophetischen Literatur. Erst in Verbindung mit dem Gürtel spielt es eindeutig auf Elia an (behaart und mit einem ledernen Gürtel um die Hüfte; vgl. 2 Kön 1,8 LXX).
Das Fehlen des Wortes Mantel , genauer: Umhang ist ein Signal, ein Zeichen dafür, dass Johannes über keine öffentliche Macht und kein offizielles Amt verfügt. Zur Bedeutung des Umhangs im Text des Mk folgt ein separater Beitrag.
Die kuriose Ernährung mit Heuschrecken und Ackerhonig lässt sich als Ausdruck einer asketischen Lebensweise deuten. Vor allem aber ist sie ein erster Hinweis auf den bei Mk zunehmenden Abendmahls-Rekurs. Insofern ist sie weit entfernt von dem Brot, in dem Jesus sich zu erkennen geben wird, sowie vom Wein der Mahlfeier bzw. Kelch des Neuen Bundes.
Beim unvoreingenommenen Lesen mag auch der Erfolg seiner Tauche bemerkenswert erscheinen. Nur bei genauerem Hinsehen zeigt sich die Vergeblichkeit aller Bemühungen, da Mk sein Auftreten und seine öffentliche Verkündigung in der Wüste ansiedelt. Dazu deutet er die Stimme eines Rufenden um zur Stimme eines Rufenden in der Wüste (1,3; vgl. Jes 40,3).
Im Unterschied zu Jesaja zielt Mk damit nicht, wie 1,2 erwarten ließe, auf die Wegbereitung für einen kommenden Herrscher, sondern auf eine andere, etwas irritierende Pointe: Was Johannes über Jesus sagt, über den nach ihm kommenden Stärkeren (vgl. 1,7f), kann in der Wüste kein Gehör finden.
Die Text-Überlieferung mancher Handschriften zeigt, dass eine weitere Ungereimtheit beseitigt wurde. Aus ihm, dem in der Wüste Eintauchen, wurde einer, der in der Wüste verkündet. Doch die beiden parallelen Partizipien eintauchend und verkündend entsprechen einander auch inhaltlich - in der Sinnlosigkeit des jeweils Dargestellten (1,4).
Abhängig sind sie vom ersten Wort (ἐγένετο, egeneto), das wiederum an das allererste Wort Anfang anknüpft. Der Anfang des Evangeliums, wie Jesaja ihn verheißt, geschah also mit Johannes, der prophetisch das Kommen eines Stärkeren (Jesus) verkündet.
Wenn Jesus analog, d.h. mit dem nächsten Und es geschah (Καὶ ἐγένετο, 1,9) eingeführt wird, zeigt sich dahinter eine schöpfungstheologische Idee (vgl. Gen 1,3ff). Johannes mag noch so vergeblich verkündet und eingetaucht haben, sein Auftrag und sein Auftreten entsprechen dem Schöpfungswillen Gottes. Allerdings ist nicht er derjenige, der mit seiner Tauche zur Neuschöpfung führt, sondern Gott - durch die anschließende Gabe des Heiligen Geistes (vgl. 1,10).
Vergeblich ist es auch, eine Tauche des Umdenkens zum Erlass von Sünden zu verkünden. Der Ausdruck ist befremdend – in seiner Umständlichkeit. Als Prophet hätte Johannes Sündenvergebung verheißen und auf den Sühnetod Jesu hinweisen können (vgl. Joh 3). Die Verkündigung einer Tauche zur Sündenvergebung in der Wüste ist dort schon wegen des Wassermangels vergeblich.
Ferner ist es für die Erfüllung der Prophezeiung unzureichend, wenn Menschen danach massenhaft zum Jordan kommen und bei einer Tauche ihre Sünden bekennen. Ohne die Vergebung Gottes bleibt die ein mehr oder minder sinnloses Ritual, ein bloßer Versuch kollektiven Reinwaschens (vgl. 6,4).
Darin liegt die Ironie der Frage Jesu, ob die Tauche des Johannes vom Himmel oder von Menschen sei (11,30). Die Vollmacht zur Sündenvergebung entscheidet sich nicht daran, ob Johannes allseits für einen Propheten gehalten wird (11,31). Zumal ein Mensch zwar alles Mögliche eintauchen (vgl. 7,4) und reinwaschen, Sünde aber nicht vergeben kann.
Dazu ist Gott allein mächtig, was die Schreiber ahnungslos gegen Jesus einwenden, dessen Vollmacht sie nicht erkennen (2,7ff).
Johannes hätte auch ein kollektives Umdenken anmahnen können. Jedenfalls bleibt das, was er verkündet, erfolglos, weil der mit der Tauche verbundene Sinneswandel ausbleibt. Das wird daran deutlich, dass Jesus ihn ausdrücklich gebieten muss (Denkt um, 1,14), mit seinem ersten Gebot (vgl. 12,28). Ein kollektives Sündenbekenntnis ohne Sinneswandel ist wertlos, einer a priori individuellen Sündenvergebung auch nicht angemessen.
Dessen ungeachtet hat die kirchliche Tradition den umständlichen Ausdruck in ihrem Sinn umgedeutet. Den Sinneswandel hat sie zu einem kirchlichen Bußakt gemacht, die Taufe des Johannes zu einer sakramentalen Bußtaufe und ihn selbst zum christlichen Heiligen.
Das wird seiner Funktion bei Mk nicht gerecht. Bei ihm ist er der Vorläufer Jesu, mit dem jüdische Elia-Traditionen eingespielt werden können (vgl. das auf Elia bezogene Mal-Zitat 1,2; danach v.a. 9,11ff). Mit dem in den Himmel aufgefahrenen und endzeitlich wiederkehrenden Gottesmann Elia waren messianische Erwartungen verknüpft.
So spielt die mit Elia begründete Vorläufer-Rolle des Johannes auf die Messianität Jesu an. Wenn Johannes der wiedergekehrte Elia ist, dann muss Jesus auch der erwartete Messias sein.
Tatsächlich wird Johannes von Jesus selbst mit dem endzeitlich wiederkehrenden Elia identifiziert, freilich nur indirekt und mit einiger Ironie, die in der Übersetzungstradition ausgeblendet wurde. Jesus räumt die Identität von Elia und Johannes ein, stellt aber im gleichen Atemzug die Erwartung in Frage, Elia komme als Wegbereiter für ihn und bereite alles für ihn vor:
[Jesus] aber sagte ihnen: Stellt Elias etwa, wenn er kommt, alles wieder her? Und wie ist geschrieben auf den Menschensohn hin? Dass er viel erleide und missachtet werde? (9,11).
Das sagt er zur Trias seiner wichtigsten Schüler, zu Petros, Jakobos und Johannes, die nicht wissen, was Auf(er)stehen ist (9,10), Jesus aber zur Elia-Erwartung der Schreiber befragen. Ihre kontextuell irrelevante Frage zeigt, dass sie an ihren Messias-Bildern festhalten wollen (vgl. 8,29), anstatt Jesus endlich als den leidenden und missachteten Menschensohn zu sehen.
Seiner wohl als Kette rhetorischer Rückfragen formulierten Antwort folgt jene Erklärung zur Identität von Elia und Johannes, die kryptisch auf dessen Tod Bezug nimmt:
Ich aber sage euch: Auch Elias ist gekommen. Und sie taten ihm, was sie wollten, wie geschrieben ist über ihn. (9,12)
Im Klartext: Elia ist in der Person des Johannes gekommen, hat aber nicht alles wieder hergestellt, wie es die Schreiber erwarten (vgl. 9,10), die von der Vollmacht des Menschensohns nichts wissen (vgl. 2,10). Geschrieben ist nur im Text des Mk, nicht aber in den jüdischen Schriften, wie Johannes durch Herodes, einem angeblichen "König" der Galiläer, hingerichtet wurde (vgl. 6,14ff).
Ein Wegbereiter ist Johannes bei Mk also nicht. Wenn die im Prophetenzitat vernehmbare Stimme Gottes zu Beginn dazu auffordert, den Weg zu bereiten (1,2), dann gehört zu dieser Aufforderung, dem ersten Gebot Gottes (vgl. 12,28) auch, Steine aus dem Weg zu räumen.
Das nämlich ist die Pointe hinter der falschen Schriftzitat-Zuschreibung an Jesaja, den Propheten (1,2, vgl. Mal 3,1). Wer die Aufforderung zur Wegbereitung in der Schrift des Jesaja sucht, findet dort den Hinweis auf Steine, die zu entfernen sind (vgl. Jes 62,10). Obwohl Gott ausdrücklich gebietet, seinem Sohn den Weg zu bereiten, hat niemand den Felsbrocken Petros oder die Zwölf mit ihren versteinerten Herzen (vgl. 8,17) aus dem Weg geräumt.
So ist diese Erzählfigur, dieser Vorläufer Johannes, nicht nur auf Jesus bezogen, sondern als Allegorie jüdischer Prophetie und jüdischer Überlieferung auch auf Petros, den Nachfolger. Das zeigt sich schon daran, dass derselbe Ausdruck, den Johannes für Jesus gebraucht (mir nach, 1,7), von Jesus an Petros gerichtet wird (Mir nach! 1,17). Dessen erstes Auftreten lässt allerdings erkennen, dass er den scharfen Befehl nicht befolgt (1,36).
Mk setzt Johannes und Jesus kontrastiv voneinander ab. Hatte Johannes umständlich eine Tauche des Umdenkens zum Erlass von Sünden verkündet, so verkündet Jesus das Evangelium Gottes erst, nachdem Johannes überliefert war (1,14). Zu der von Jesus nicht verkündeten Tauche mit Wasser, einem Zeichen des Todes, steht sein Evangelium in Opposition.
Auch die Ortsangabe, der zufolge Jesus (wieder) nach Galiläa kommt, lässt sich als Opposition deuten, da sie im Unterschied zur Wüste einen fruchtbaren Acker-Boden erwarten lässt. Den stellt Jesus allerdings mit seiner Rätselrede in Frage (vgl. 4,5ff), wegen des begrenzten Ertrags seiner eigenen Verkündigung.
Die auf den Tischdienst bezogene Demutsbekundung des Johannes drückt eine Unterordnung unter den verheißenen Stärkeren aus (der ich nicht genug bin, ihm gebückt die Riemen der Sandalen zu lösen, 1,7). Der Begriff des Lösens spielt hier erstmals auf den Terminus technicus der Sündenvergebung an, die Mk als Aufgabe des Petros mehrfach anklingen lässt, von Mk aber abgelehnt wird.
Die weit verbreitete Theorie der Historischen Jesusforschung, Jesus sei ein Schüler des Johannes gewesen, findet im Text des Mk keinen Rückhalt. Die christliche Tradition mag freilich ein Problem damit gehabt haben, dass Jesus sich von ihm taufen ließ, da ein Reinigungsbad zwar für Johannes, nicht aber für Jesus angebracht schien (vgl. Mt 3,14f). In der Forschung war vor allem das unklare Verhältnis der beiden Protagonisten im Blick, weniger die Frage, warum Jesus überhaupt im Jordan eingetaucht wurde.
Vermutet wurde historisch eine Unterordnung Jesu unter den Täufer, dessen Lehre er übernommen habe. Diese Theorie geht von den Parallelisierungen aus, die jedoch typisch nur für Matthäus (in der Verkündigung) und für Lukas (in der Biographie) sind. Als solche sind sie absichtsvolle Änderungen gegenüber dem Text des Mk, mit dem Ziel, Jesus gegen Mk in die messianischen Traditionen Israels einzureihen.
Bei Mk ist das Wasser ein multiples Symbol, das für die jüdische Tradition sowie kontrastiv zum Wein des Abendmahls steht. In diesem Sinn lässt sich das Gerichtswort deuten, mit dem Jesus einen Becher Wasser denen als Lohn belässt, die des Christus sind (9,41). Diese ironisch-kümmerliche Lohnzusage bedeutet umgekehrt: Wer zu Jesus gehört, dem wird beim endzeitlichen Mahl der Becher Wein zuteil.
Mit seiner letzten prophetischen Verheißung weist Johannes über die erzählte Welt hinaus, indem er seine eigene und die von dem Verheißenen (Jesus) überbotene Tauche potenziell an die Leserschaft richtet (er wird euch eintauchen; 1,8), ähnlich wie Jesus mit seiner daran anschließenden und darauf bezogenen programmatischen Verkündigung (Denkt um und glaubt […]; 1,15).
Jedenfalls ist die angekündigte Tauche (im heiligen Geist) qualitativ von der Wassertauche des Johannes klar unterschieden. Das zeigt auch eine sprachliche Differenzierung, die im Deutschen kaum je angemessen wiedergegeben wird. Johannes taucht mit Wasser ein, Jesus aber wird im – oder besser: kraft des Heiligen Geistes eintauchen (1,8).
Den instrumentellen Sinn der Präposition greift die Verkündigung Jesu auf: Denkt um und glaubt – kraft des Evangeliums! (1,15). Das wird in den meisten Übersetzungen ignoriert, die in alter kirchlicher Tradition einen Glauben an das Evangelium fordern.
Mit der Verheißung ist also nicht die einer Geisttaufe gemeint, die textintern ohnehin nicht eingelöst wird. Die Tauche kraft des Heiligen Geistes bezeichnet wohl eher ein Sterben im Herrn, wie Paulus es beschreibt (Röm 14,8), einen Tod, dem die Auferstehung kraft des Heiligen Geistes folgt, zeichenhaft abgebildet in der Tauche Jesu (1,9ff).
Die groteske Erzählung der Hinrichtung des Johannes geht weit über die Frage hinaus, wie man sich die leibliche Auferstehung eines Menschen vorzustellen habe (vgl. 6,14), dessen Kopf vom Körper getrennt wird.
Diese Exekution, die durch einen Beobachter (σπεκουλάτορ, lat. Späher; 6,27) durchgeführt wird, steht im Kontext einer pervertierten Abendmahls-Geschichte. Am Ende ist es das Haupt des Johannes auf einer Fleischplatte, das zur bloßen Anschauung weitergegeben wird. Ein ausführlicher Blog-Beitrag folgt. –
Immer wieder wird im Mk-Text auf Johannes Bezug genommen, meist in Form kleinerer Anspielungen. Einige von ihnen sollen hier noch kursorisch genannt werden.
Wenn die Schüler zum ersten und einzigen Mal ausgesandt werden, wird erschreckend klar, dass sie gelehrt haben, obwohl sie dazu nicht befugt waren (6,12). Was sie im Anschluss an Johannes und Jesus verkünden, ist ein Umdenken und damit just jenen Sinneswandel (sc. den der Jesus des Mk ihnen erfolglos geboten hatte, 1,14).
Dummerweise lehren sie nicht, wer Jesus ist. Das zeigt sich daran, dass man ihn landläufig für einen Johannes redivivus hält, vorher wie nachher (vgl. 6,14; 8,28). Das berichten die Schüler ihrem Lehrer sogar selbst, ohne den verbreiteten Unsinn zu bemerken.
Das Absurde daran ist, dass Jesus persönlich von Johannes eingetaucht worden war, weshalb die Identität beider Protagonisten nicht in Frage kommen kann. Trotzdem entscheidet Herodes sich ausgerechnet für diese Absurdität, wenn er erklärt, Jesus sei der von ihm enthauptete und auferstandene Johannes (6,16).
Der von Mk beschriebene Erfolg des Vorläufers Johannes ist allenfalls eine quantitative Größe, entsprechend dem Zulauf, der Jesus dank des Menschenfischers Petros zuteil wird. Allerdings zeigen Petros und mit ihm die Zwölf im Unterschied zu Johannes und zu anderen Erzählfiguren keinerlei Demut gegenüber Jesus (vgl. Joh 13,1ff).
An dem Zulauf bei den Auftritten Jesu wird der Überbietungsgedanke deutlich, den Johannes auch selbst äußert (1,7f). Waren zu Johannes nur das ganze judäische Land und alle Hierosolymiten herausgegangen (1,5), so kommen zu Jesus mit den beträchtlich zunehmenden Menschenmassen auch Nichtjuden (3,8). Was dem Wirken des Menschenfischers zugeschrieben werden kann, hat massive Reinheits-Fragen zur Folge.
Die merkwürdige Formulierung (das ganze judäische Land) hat ihren Grund darin, dass Mk den Begriff der Judäer aufspart für den Ausdruck König der Judäer und damit für die Pointe, dass Jesus der Christus Israels sei (15,2). Der falsche Titel beschreibt zynisch die Schuld seines Todes (15,26; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-c-christus).
Im Gegensatz zu den Schülern Jesu sind die des Johannes immerhin in der Lage, die Leiche ihres Lehrers in einem Grabdenkmal zu bestatten (6,29). Zu mehr kann dessen Tod freilich nicht dienen.
Die Schüler des Johannes sind – ebenfalls im Unterschied zu denen Jesu – auch an jüdischen Fastentraditionen beteiligt, die Jesus mit einem kryptischen Hinweis auf seinen Tod umdeutet (2,18ff).
Tatsächlich geht es Mk hier nicht darum, den Karfreitag als christlichen Fastentag einzuführen, sondern die Teilhabe am Leib Jesu bei der Mahlfeier anzudeuten. Jesus erklärt, dass seine Schüler während der Hochzeit nicht fasten können, dies aber tun müssen, wenn ihnen der Bräutigam – und damit die (Mahl-)Gemeinschaft mit dem Leib Jesu – genommen wird. Anders ausgedrückt: Die Schüler werden exkommuniziert.
Wer also war Johannes? Für Mk ist Johannes als Vorläufer ein literarisches Konstrukt, mit dem das Verhältnis Jesu zur jüdisch-prophetischen Überlieferung skizziert wird. Dabei grenzt er ihn kontrastiv von ihr ab, ebenso wie von Petros, den er nicht in der Nachfolge Jesu, sondern als Hauptvertreter falscher messianischer Traditionen darstellt.
Mk lässt die Tauche des Johannes als einen massenhaft durchgeführten Reinigungsritus erscheinen, der ohne Sinneswandel keine Sündenvergebung ermöglicht, im Unterschied zur Tauche kraft des Heiligen Geistes; sie ist den Bewohnern von Galiläa und darüber hinaus der Leserschaft des Mk verheißen.
Der Verkündigung durch Johannes stellt Mk das Evangelium Jesu gegenüber, seiner Tauche in den Tod den Glauben kraft des Evangeliums und dem Wasser den Wein, als ein Zeichen für das Blut Jesu und damit für die Leidens-Gemeinschaft derer, die zu wahrer Kreuzesnachfolge bereit sind.