Die Geschichte der sog. Auferstehung?
Aktualisiert: 24. Nov.
Mit diesen Worten war einer der ersten Blog-Beiträge überschrieben, freilich noch ohne Fragezeichen (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-auferstehung). Der Beitrag war jenem so befremdlichen wie skurrilen Ende gewidmet, das weithin als Ostergeschichte gilt, wenn nicht sogar als deren Prototyp (16,1-8).
Es bleibt dabei: Mk erzählt keine Ostergeschichte. Was er aber zum Thema der hier fraglichen Auferstehung erzählt, unterscheidet sich wesentlich von sämtlichen späteren Deutungs-Traditionen. Schon Matthäus und Lukas haben nicht nur punktuell in den Text des Mk eingegriffen, sie haben ihn weitgehend ersetzt durch ihre je eigenen Deutungen.
Das soll hier genauer untersucht werden: Was erzählt Mk zum Thema – und worin besteht seine ganz eigene Perspektive? Dafür werden zunächst die entsprechenden Begriffe in groben Umrissen zu klären sein.
Die im Deutschen üblichen Bezeichnungen Auferweckung und Auferstehung sind kirchlich geprägte Begriffs-Derivate, die ihren ursprünglichen Alltags-Bezug verloren haben. Das unterscheidet sie vom Text des Mk, der durchzogen ist von zahlreichen Motiven des Aufweckens und Aufstehens. Es ist damit zu rechnen, dass diese Motive je unterschiedlich konnotiert sind.
Im Gegensatz auch zur jüdischen Tradition vor ihm verwendet Mk die Begriffe für aufwecken bzw. aufrichten (ἐγείρω) und aufstellen bzw. aufstehen (ἀνίστημι) nicht synonym. In lateinischen Übersetzungen ging seine noch zu erschließende Differenzierung verloren, sofern sie nicht bewusst aufgegeben wurde.
Jedenfalls wird in der Vulgata fast ausschließlich das Verbum surgere gebraucht, meist in den entsprechenden Komposita (con-, ex-, vor allem re-surgere). Die wenigen Ausnahmen erscheinen auf den ersten Blick willkürlich: elevare (1,31, 9,27) und excitare (4,38). In deutschen Übersetzungen und Auslegungen ist von der Unterscheidung des Mk ohnehin nichts mehr zu erkennen.
Mehrfach sind schon in der für Mk wesentlichen Septuaginta-Tradition die beiden Begriffe austauschbar, wobei der zweite auch in ganz anderen Sinnzusammenhängen und etwa 4-mal so häufig vorkommt. Vor allem in der Bedeutung von aufstehen können sie parallel gebraucht werden (vgl. z.B. die Imperative wache auf bzw. stehe auf in Ps 43,24 LXX).
In den Briefen des Paulus lassen sich zahlreiche ältere Bekenntnisformeln nachweisen, die zunächst ausschließlich von einer Auf(er)weckung Jesu sprechen. Das Problem ist klar: Die dahinter stehenden jüdischen Jenseits-Vorstellungen waren der griechischen Kultur fremd. Bei Mk sind die Spuren des Konflikts deutlich erkennbar, deutlicher als bei Paulus.
Eine Auferweckung aus dem Tod kommt für den Jesus des Mk grundsätzlich nicht in Betracht. Deshalb stellt Mk die Auferweckungsfrage über die von ihm erfundene Geschichte der Enthauptung des Johannes (6,14ff).
Mit einigem Witz erzählt er, wie ein jüdischer „König“ namens Herodes quasi per Dekret entscheidet, dass Jesus der auferweckte Johannes sei (6,16). Dem können die Leser:innen unmöglich zustimmen, wurde Jesus doch von Johannes persönlich im Jordan eingetaucht (1,9).
Wie – so lautet die Frage im Hintergrund – soll man sich bitte eine leibliche Auferweckung vorstellen, zumal bei einem Enthaupteten? Diese krude Geschichte ist nicht die erste, mit der Mk den Gedanken einer Toten-Auferweckung zur Disposition stellt.
Schon in der Geschichte des Paralysierten wird sie in einer bemerkenswerten Weise angesprochen. Das nur angedeutete Bild einer Bestattung (wo Jesus war) wird mit einer witzigen Fang-Frage an die Schreiber verknüpft (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-des-paralysierten-mk-2-1-13).
Die Frage lässt sich folgendermaßen übersetzen: Was ist einfacher? Zu dem Erschlafften zu sagen: Erlassen werden dir die Sünden, oder zu sagen: Wach auf und lauf herum! (sic! 2,9). Im Bild des Aufwachens schwingt das Thema des Sündenschlafs mit, das durch den Witz des luxuriösen Ruhemöbels (Sofa) noch verstärkt wird.
Um es nun auf eine einfache Formel zu bringen: Bei Mk bedeutet das häufige Aufrichten von Kranken oder Totgeglaubten durch Jesus ein Aufwecken aus dem Schlaf bzw. aus dem Tod der Sünde. Insofern kann Jesus selbst nicht auferweckt worden sein.
Mk erzählt keine realen Toten-Auferweckungen, nicht einmal bei der (judäochristlichen) Tochter des Jairos (5,21ff), noch bei dem (völkerchristlichen) Sohn des hilflosen Vaters (9,14ff). In beiden Fällen wird allerdings notiert, dass sie dem Weckruf Jesu folgend aufstanden. Zuvor war nur Levi nach dem Ruf zur Nachfolge aufgestanden (2,14 vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wer-war-der-levi-des-mk).
Auf dem Meer schläft Jesus im Heck des Bootes auf einem Kopfkissen (4,38), bevor sie ihn wecken, um ihm Vorwürfe zu machen. Zur Ironie dieser Szene vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-sog-sturmstillung-mk-4-35-5-1.
In Gethsemani schlafen umgekehrt die drei Säulen (vgl. Gal 2,9), das Triumvirat von Petros, Jakobos und Johannes, trotz der dreimaligen Warnung Jesu (13,33.35.37). Diese Drei hatte er zuvor zur Aufweckung der Tochter des Jairos mitgenommen. Auch auf dem Berg der sog. Verklärung waren sie exklusiv dabei (9,2), wo Jesus ihnen als der österlich Erhöhte erscheint, aber keinen Auftrag erteilt – im Unterschied zur Stimme (Gottes) aus den Wolken.
In Gethsemani werden sie nun von Jesus aufgeweckt, nämlich erst dann, wenn er weg ist (sc. der Kelch; d.h. der Bund mit den Zwölfen, 14,41f). Darum hatte Jesus seinen Vater gebeten (14,36), den er bezeichnenderweise nicht mit dem hebräischen Wort der Judäochristen anspricht, sondern auf Aramäisch (Abba, 14,36). Dazu folgt demnächst ein separater Beitrag.
Wenn Mk aber das Aufwecken (ἐγείρω) durch Jesus nur im übertragenen Sinn gebraucht , was bedeutet dann sein Aufstehen (ἀνίστημι)?
Es fällt auf, dass Mk seinem Jesus am Ende der sog. Leidensankündigungen je eine Verbform der Anastasis in den Mund legt (8,31; 9,31; 10,34). Mk spricht also, im Gegensatz zu Paulus und zur judäochristlichen Bekenntnis-Tradition, nicht von einer Auferweckung Jesu am dritten Tag, sondern von einem Aufstehen nach drei Tagen.
Schon Matthäus macht diese eigenwillige Deutung wieder rückgängig. Dort, wo Mk bewusst von einem Aufstehen nach drei Tagen spricht, ersetzt Matthäus es systematisch durch das traditionelle Aufwecken am dritten Tag (Mt 16,21; 17,23; 20,19).
Andere Anastasis-Erwähnungen des Mk lässt Matthäus weg (1,35; 10,1). Damit versucht er, die Auferstehung Jesu in den jüdischen Vorstellungs-Horizont einer Auferweckung durch Gott zurückzuholen. Hauptsächlich aber geht es ihm wohl um etwas anderes, nämlich um die Ehrenrettung des Triumvirats von Petros, Jakobos und Johannes.
Das Aufstehen Jesu aus [den] Toten scheint für die Drei bei Mk ein Problem zu sein (9,10). Indem sie es zum Anlass ihrer Ermittlungen machen, zeigen sie, dass sie die entsprechende Pointe und damit das Gebot Jesu nicht verstanden haben (vgl.
https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-verklärung). Auch das hat Matthäus zu ihren Gunsten geändert.
Jedenfalls hat die Forschung bis heute keine plausible Antwort gefunden auf die Frage, was eine Anastasis nach drei Tagen bedeuten soll. Meistens wird die Frage nicht einmal gestellt.
Wie so oft besteht das Problem auch hier ganz einfach darin, dass Mk bewusst mehrdeutig erzählt. Das war im eingangs genannten Blog-Beitrag bereits ein Thema. Der Bursche im Grabdenkmal würde ein entscheidendes Wort Jesu verharmlosen, wenn es nur so zu verstehen wäre: Voran geht er euch nach Galiläa (16,7).
Die (beiden) Marien verstehen sehr wohl, was Jesus zu den Zwölfen (auch) gesagt hatte: Nach meinem Aufgerichtetwerden werde ich euch in Galiläa vor [Gericht] führen (14,28). Es entspricht der inszenierten Ironie des Mk, dass Petros die Drohung überhört und nicht darauf reagiert, sondern seine Treue beteuert. Für Mk ist er der Kopf des judäochristlichen Missverstehens.
Dieses Aufgerichtet-Werden rekurriert gerade nicht auf die Auferweckung Jesu, sondern auf seine Erhöhung am Kreuz. Auch das ist Ironie: Denn die drei Judäochristen (Jakobos und Johannes, mit Petros an der Spitze) sind diejenigen, die Jesus ein zweites Mal kreuzigen. (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-sie-kreuzigen-ihn-doppelt-mk-15-24f).
So bleibt die entscheidende Frage: Wenn Mk sein Aufwecken bzw. Aufrichten (ἐγείρω) nur im übertragenen Sinn gebraucht, was bedeutet dann sein Aufstehen (ἀνίστημι)?
Dazu in aller Kürze: Die sog. Leidensankündigungen lassen sich ebenfalls als Drohungen interpretieren. Dass sie gegen die drei judäochristlichen Säulen gerichtet sind, lässt schon ihre Dreizahl vermuten. Bezeichnenderweise sind sie auf die jüdischen Schriften bezogen. Wie immer schlägt Mk die Judäochristen mit deren eigenen Waffen.
Aus dem Buch der Psalmen übernimmt Mk das Motiv eines richtenden Gottes und überträgt es auf Jesus. Dort heißt es mehrfach, dass Gott endlich aufstehen solle, um seine Feinde zu vernichten. Genau das kündigt Jesus dreimal an, für die Zeit nach seiner Kreuzigung und – nach drei Tagen!
Hier einige Belege aus den Psalmen zum Vergleich:
Ps 73,22 LXX: ἀνάστα, ὁ θεός, δίκασον τὴν δίκην σου· μνήσθητι τῶν ὀνειδισμῶν σου
Steh auf, Gott! Entscheide deinen Rechtsstreit! Erinnere dich an deine Schmähungen […]
Ps 75,10 LXX: ἐν τῷ ἀναστῆναι εἰς κρίσιν τὸν θεὸν τοῦ σῶσαι πάντας τοὺς πραεῖς τῆς γῆς.
[…] da Gott aufsteht zum Gericht, um alle Sanftmütigen der Erde zu retten.
Ps 81,8 LXX: ἀνάστα, ὁ θεός, κρῖνον τὴν γῆν
Steh auf, Gott, richte die Erde […].
Mit anderen Worten: Die sog. Leidensankündigungen sind nicht einfach nur Weissagungen Jesu über sein weiteres Ergehen, sie sind die auf die jüdischen Schriften bezogene Lehren, die seine Schüler einmal mehr nicht verstehen; inhaltlich sind sie Drohungen.
Als der aufstehende Menschensohn ist Jesus derjenige, der von Daniel prophezeit worden war (Dan 7,13ff). Insofern erübrigt sich die in der Forschung übliche Unterscheidung eines leidenden Menschensohns von einem richtenden. Der unter der Christologie der Judäochristen Leidende ist eben der zum Gericht über sie wiederkehrende Menschensohn.
Es ist kein Zufall, dass Mk erst wieder im Prozess von einer Anastasis spricht. Dort stehen zwei falsche Zeugen (in Entsprechung zu Jakobos und Johannes, 14,57) und ein Oberpriester (in Entsprechung zu Petros, 14,60) gegen ihn auf, gegen Jesus als den vermeintlichen Christus. Insofern ist das Gerichts-Verfahren nur auf der Erzähl-Ebene ein jüdisches; auf der Deutungs-Ebene zeigt es den innerchristlichen Konflikt.
Dreimal lehrt Jesus also, dass der Menschensohn aufstehen werde [zum Gericht]. Das erste Mal anlässlich der Christus-Behauptung des Petros (8,31), der sich gegen Jesus zur Wehr setzen möchte. Das zweite Mal verstehen die Schüler das Wort nicht, wagen aber nicht, Jesus zu fragen (9,32). Beim dritten Mal führt Jesus seine Leidensgeschichte noch etwas weiter aus, aber Jakobos und Johannes sind nicht dabei (10,34f).
Die beiden fordern dennoch einen Lohn für ihren Märtyrertod, nämlich die Ehrenplätze in seiner Herrlichkeit (10,37). Den bekommen sie – als die Räuber links und rechts des Gekreuzigten (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wer-sind-die-mit-jesus-gekreuzigten-schächer-mk-15-27).
Weitere Geschichten des Mk sind im endzeitlichen Kontext von Bedeutung. Beiträge dazu folgen, etwa über jene kuriosen Sieben Brüder, die nach ihrem Aufstehen wie Boten im Himmel sein werden (12,25).
Hier der Link zur Geschichte des Einen, dem Jesus einen Schatz im Himmel anbietet (10,21):
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