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martinzoebeley

Aus dem kleinen ABC zum Markus-Evangelium: E – Essen

Aktualisiert: vor 23 Stunden


Von Anfang an geht es Mk darum, wer Jesus ist und woran er sich erkennen lässt. In dieser entscheidenden Frage versagt die Generation der Schüler. Mk räumt ihr bewusst nicht das Privileg ein, die Bedeutung Jesu unmittelbar erfasst zu haben. Denn für sie ist er nur ein Lehrer unter vielen, ein Rabbi (9,5; 11,21; 14,45) oder ein Christus, wie Petros behauptet (8,29).


Ausgerechnet die Augen- und Ohrenzeugen können Jesus weder sehen, noch hören, wie Mk mit Bezug auf Jesaja mehrfach betont. Dagegen räumt er den späteren Völkerchristen (also auch sich selbst) sowie den nachgeborenen Generationen (also auch uns) die Option ein, den zum Tod erniedrigten und zu Gott erhöhten Sklaven Jesus in der Mahlfeier zu erkennen, gemäß der Aufforderung aus Psalm 34 (Ps 33,9 LXX): Schmeckt und seht, dass der Herr ein Chrestus ist.


Dementsprechend thematisiert Mk die Bedeutung des Essens, auch die Bedingungen seitens der jüdischen Tradition. Sein Blick ist dennoch nicht primär in die Vergangenheit gerichtet. Die Mahlfeier ist von endzeitlicher Bedeutung, weil die Erkenntnis Jesu und das angemessene Bekenntnis Voraussetzungen zur Rettung sind, wie die Geschichten auf dem Meer zeigen, die jeweils den Mahlgeschichten folgen.


Die Erkenntnis entscheidet sich also am Brot der Mahlfeier, nicht an der Vision eines auferstandenen Christus. Das erklärt auch, warum Mk die judäochristliche Tradition der direkten Nachfolger Jesu ablehnt. So werden diejenigen, die bei ihm stehen, den Tod nicht schmecken, bis sie das Königtum Gottes haben kommen sehen (9,1).


Auf diesen entscheidenden Erkenntnis-Ort, die Mahlfeier, spielt Mk immer wieder an. Die Ernährung des eintauchenden Johannes besteht freilich nur aus Heuschrecken und wildem Honig (1,6). Damit bietet er, der allegorisch als ein Vertreter jüdischer Prophetie zu deuten ist und bereits auf Jesus hinweist, noch keinerlei Möglichkeit, ihn zu erkennen.


Mit dem Auftreten Jesu ändert sich das Bild, indem zunächst keimhaft das Brot in den Blick kommt. Nunmehr sind es seine Schüler, die dafür sorgen, dass es nicht zur Erkenntnis führt, indem sie die bis zur Buchmitte zunehmende Bedeutung des Brotes ignorieren oder sogar verhindern. So muss Jesus ihnen etwa die Wachstums-Rätsel eigens auflösen (4,34).


Dieses Wachstum des Brotes thematisiert Mk bis zur Buch-Mitte in Entsprechung zum Anwachsen der Machttaten. Dabei fällt immer wieder die Verständnislosigkeit der Schüler auf, besonders auch die des Triumvirats von Petros, Jakobos und Johannes.

Das soll ein ausführlicher Durchgang durch die erste Texthälfte zeigen.


1,13

In der Wüste, wo der mit Petros identifizierte Satan Jesus auf die Probe stellt (vgl. 8,33), dienen ihm die Engel. Wo also der Anbau von Getreide – und nachfolgend die Erkenntnis – unmöglich ist, wird Jesus wie Elias durch Boten [Gottes mit Brot] versorgt. Dennoch ist nicht etwa er mit dem wiedergekehrten Elias zu identifizieren, sondern Johannes (9,13; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wer-war-johannes-der-täufer).


1,31

Im Haus des Petros und Andreas richtet Jesus die fiebernde und damit potentiell unreine Schwiegermutter des Petros auf, mit dem Ergebnis, dass zwar das Fieber weggeht, die aber nicht etwa ihm [zu Tisch] dient wie die Engel zuvor, sondern ihnen, also dem Triumvirat der Schüler (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-schwiegermutter-des-petros-mk-1-29-31).


2,15

Bei einer Mahlfeier können die vielen Schüler problemlos zu Tisch (mit!)liegen – auch mit vielen unreinen Gästen, die Jesus nachfolgen. Das scheint nicht einmal die Schreiber unter den Pharisäern zu stören, die die Wirklichkeit verdrehen, wenn sie den Schülern gegenüber feststellen (sic!), dass Jesus mit solchen Gästen isst (2,16; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wer-war-der-levi-des-mk).


2,18

Danach fragen sie ihn, warum die Schüler Jesu nicht fasten – wie die anderen (jüdischen) Schüler auch. In seiner Antwort weist Jesus sie mit dem Bild der Hochzeitsgäste darauf hin, dass Tage kommen werden, an denen sie fasten, da sie ihn [als Brot] nicht bei sich haben (dürfen, vgl. 6,8). Das mag sie später dazu veranlassen, übrige Brotstücke [einzusammeln und] als Fülle der Körbe wegzutragen (6,43).


2,21

Wie die alte und deshalb unpassende Fülle eines genähten Mantels die Spaltung nur vergrößert, so sind alte Schläuche für jungen Wein unpassend. Zu diesen beiden – gegen judäochristliche Ansprüche gerichteten – Rätselbildern folgt ein eigener Beitrag.


2,23

Die (judäochristlichen) Schüler rupfen die Ähren [des Getreides] ab, was sie den (jüdischen) Pharisäern zufolge am Sabbat nicht dürfen. Die kritisieren das, freilich ohne das eigentliche Problem zu bemerken, dass nämlich die Schüler ihren Weg machen, anstatt Jesus in den Saaten nachzufolgen Das heißt: Während Jesus noch in der Saat unterwegs ist, ernten sie bereits Ähren - und verhindern damit die (Nach-)Ernte anderer (vgl. übersetzungsfehler-in-der-bibel-2-23-jesus-ging-durch-kornfelder).


2,26

Mit dem Rätsel der sog. Schaubrote im Tempel stellt Jesus eine direkte Parallele her vom Gefolge Davids zu den eigenen Nachfolgern. Das Problem eines geistlichen Hungers konnte David lösen, doch die (judäochristlichen) Schüler und Söhne Davids bemerken das nicht, ebenso wenig wie den bedeutungsvoll falschen Priesternamen Abjatar (Mein Vater hat Überfluss gegeben).


3,15ff

Im Zusammenhang mit der Einsetzung der Zwölf ist von einem Brot oder allgemein vom Essen nicht einmal andeutungsweise die Rede, dafür von Unreinen Geistern, die ihnen an Erkenntnis und Bekenntnis überlegen sind (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-einsetzung-der-zwölf-mk-3-13-19).


3,20

Offenbar leistet Petros, der führende Menschenfischer der Zwölf, ganze Arbeit. Die mit einiger Ironie notierte Folge davon sind die Menschenmengen, derentwegen sie nicht einmal Brot essen können.


4,5

In seiner ersten großen Rede lehrt Jesus die Schüler in Rätseln, die er ihnen danach eigens auflösen muss (4,34; vgl. aus-dem-kleinen-abc-zum-markusevangelium-r-rätsel). Gleich im ersten Rätsel deutet er an, dass die Saat [Jesu] auf dem felsigen Boden [des Petros] sofort aufgeht und schnell wächst, dort aber keine Tiefe hat und bei Sonnenaufgang vertrocknet.


4,16

Die ihrerseits rätselhafte Auflösung des Rätsels zeigt: Was auf dem Boden [des Petros] wächst, ist opportunistisch und fällt in Bedrängnis sofort ab. Das entspricht dem Vorwurf des Opportunismus, der dem Petros an ganz anderer Stelle gemacht wird, im Galaterbrief – anlässlich seiner unerwarteten Ablehnung gemeinsamer Mahlfeiern mit den Völkerchristen (vgl. Gal 2,12).


4,21

In einer rhetorischen Frage nimmt Jesus die rätselhaften Bilder von Getreidemaß und Essliege auf: Ob die Leuchte [Jesus] gekommen sei, um darin bzw. darunter verborgen zu werden? Auch die Antwort, eine weitere rhetorische Frage, ist rätselhaft. Muss sie denn nicht am Ständer [am Kreuz] sichtbar werden?


6,8

Vor der einzigen, ironisch gefärbten Aussendung der Zwölf erteilt Jesus ihnen ausdrücklich das Verbot, Brot mitzunehmen. Zur Mahlfeier sind sie nicht befugt; sie sollen zunächst nur die Vollmacht über die ihnen an Erkenntnis und Bekenntnis überlegenen Unreinen Geister haben (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-aussendung-der-zwölf-mk-6-7-13).


6,13

Die Zwölf sind das eigentliche Hindernis zur Erkenntnis Jesu. Im Zusammenhang mit ihren eigenmächtigen Salbungen (!) steht eine groteske (Königs!)-Geschichte – und in deren Zentrum ein todbringender Gegenentwurf zum Abendmahl. Der wird Thema sein in einem separaten Blog-Beitrag.


6,30

Die Zwölf haben sich als Apostel definitiv disqualifiziert, indem sie Vieles getan haben, ohne je dazu beauftragt zu sein. Die Ironie ihnen gegenüber zeigt u.a. der einmalige Gebrauch des Apostelbegriffs sowie die Notiz des Mk, sie hätten nicht einmal Zeit zu essen. Das bedeutet: ihre Mahlfeiern sind gescheitert, allerdings nicht am geforderten Brot-Verzicht (vgl. 6,8). Auch den eindeutigen Auftrag Jesu zur Armut befolgen sie nicht (vgl. 6,37).


6,36ff

So fordert Jesus sie (ironisch) auf, den vielen Menschen (nur Männern; 6,44) zu essen zu geben, und fragt sie nach ihrem unerlaubten Brotvorrat. Der großen Sättigung geht ein grotesker Dialog voraus, da sie zuvor nicht als (unfähige) Schüler aufgetreten waren, sondern als (unbrauchbare) Hirten (6,34), denen die Menschenmengen in die Wüste folgen. Vor dem Abend fordern sie, dass er sie entlassen soll, damit die sich zu essen kaufen.


6,39f

Diese scheinbar wohlmeinende Begründung und ihre Kommentare zeigen, dass sie nur ein Versorgungsproblem, nicht aber das Heil der Vielen im Blick haben. Er aber befiehlt wie ein guter Hirte, dass sie sich (in der Wüste!) auf dem grünen Gras in Mahlgemeinschaften niederlegen sollen. Es kommt anders: Die Mengen lagern sich in großen militärischen Einheiten abgezählt in Gartenbeeten.


6,41

Die beiden Fische, die sie außer den Broten dabei haben, sind ein Indiz für einen von Jesus ausdrücklich nicht erlaubten Reichtum (vgl. 6,8f), der nur ihrer eigenen Versorgung dient. Beides sollen sie jedoch [nicht selbst essen, sondern] an alle verteilen.


6,42f

Von einer Brotvermehrung ist nicht die Rede, auch nicht von einer Fischvermehrung, geschweige denn von einem Wunder. Entscheidend ist vielmehr die (geistliche) Sättigung von 5000 Männern und ein bedeutungsvoller Rest, der unaufgefordert in zwölf (jüdischen) Körben weggetragen wird. Das bedeutet: Die Zwölf heben eigenmächtig Brot für spätere Mahlfeiern in jüdischen Kontexten auf; sie wollen also im Unterschied zum Volk Israel nicht nach dem Gesetz leben (vgl. Ex 16,4).


6,52ff

Die Notiz, dass sie [Jesus] nicht verstanden hatten aufgrund der Brote, hat noch einen weiteren Grund, ihren eklatanten Mangel an Erkenntnis. In der existenziellen Bedrohung halten sie Jesus für ein Gespenst (6,49); auf seine rettende Macht reagieren sie nicht, nicht einmal auf seine Selbst-Offenbarung [als Gott der Juden, 6,50]. Anstelle einer endzeitlichen Erkenntnis auf dem Meer folgt eine ohne ihn auf der Erde, mit skurrilen Folgen (6,55).


7,1ff

Die jüdischen Mahlregeln der Judäochristen werden ironisch aufgespießt und anlässlich der Forderungen kultischer Reinheit ausführlich diskutiert. Dass die Zwölf eigentlich ganz andere Probleme haben, zeigt ein zwölffacher Katalog mit [ihren] massiven Verfehlungen. In einem kurzen Nebensatz wird das Thema der Reinheit von Speisen vom Tisch gefegt (7,19).


7,15

Im Zentrum der Erläuterungen Jesu steht seine wesentliche Aussage (7,15), dass vom Menschen Unreinheit ausgeht, implizit also von Gott Reinheit. Das erklärt sein differenziertes Verhalten zuvor gegenüber kultisch unreinen Menschen bei Heilungs- bzw. Rettungs-Geschichten (z.B. 1,23ff bzw. 5,27ff).


7,24

Die anschließende Geschichte ist keine Heilungs-, sondern eine Sättigungsgeschichte, nun aber unter den Bedingungen einer sündigen Hafenstadt (Tyros). Jesus wahrt die Distanz, und die Tochter auf der Essliege ihren Unreinen Geist (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/was-zeichnet-die-griechin-aus-syrophönizien-aus-mk-7-24-30).


8,1ff

Eine weitere Sättigungsgeschichte erzählt von einer deutlich kleineren Menschenmenge (4000, nicht nur Männer, vgl. 6,44), die auch von ferne gekommen sind (Nichtjuden). Anders als zuvor geht die Initiative, die von verständnislosen Schülern abgelehnt wird, diesmal von einem erbarmenden Jesus aus. Er dankt für die Brote, ohne zuvor zum Himmel aufzublicken, und segnet die wenigen Fischlein, die sie stillschweigend verschwinden lassen, wie ihre nur auf das Brot verweisende Frage zeigt (8,4).


8,8

Auch diesmal bleiben Reste [Brot} übrig, die unaufgefordert in sieben Körben weggetragen werden. Das bedeutet: Für eine Gruppe der Sieben (vgl. Apg 6,3ff) wird Brot eigenmächtig aufgehoben, das bei Mahlfeiern in völkerchristlichen Kontexten der Sättigung dienen soll; von den Fischlein ist nicht mehr die Rede. Wenn die Pharisäer danach ein Zeichen vom Himmel fordern, ist das ein Witz (8,11), mit dem sie unterstellen, die Sättigung sei ohnehin nicht durch Gott erfolgt.


8,14ff

Diejenigen, die ihn einst im Boot mitgenommen hatten, wie er war (4,36), vergessen diesmal, Brote mitzunehmen. Sie bemerken nicht, dass sie [mit Jesus] doch eines an Bord haben und verstehen darüber hinaus seine Warnung vor dem Sauerteig der [gesetzestreuen jüdischen] Pharisäer und des [opportunistischen jüdischen Königs] Herodes falsch. Die Warnung zeigt, dass von diesen Seiten ein kultisch reines Brot nicht zu erwarten ist.


8,17ff

Diesmal wirft nicht der Erzähler, sondern Jesus selbst ihnen ein [durch Petros] versteinertes Herz vor (vgl. 6,52) sowie einen Mangel an Erkenntnis und Einsicht, wenn er sie auf die Zahlen der beiden Sättigungsgeschichten anspricht. Die haben sie exakt im Kopf, und doch hält Jesus ihnen außerdem ihr mangelndes Erinnerungsvermögen vor. Das zeigt: Es geht Mk nicht um (jüdische) Zahlen-Symbolik, sondern um die Fülle, die sie durch die Unterschlagung der Fischlein den Völkerchristen vorenthalten hatten (s.o., 8,1ff).

 

In der zweiten Hälfte seiner Jesus-Geschichte wird Mk das Brot nicht mehr ausführlich thematisieren, ebenso wenig wie das weitere Wachstum seiner Machttaten. Stattdessen wächst nur noch das Missverstehen der Schüler und das Scheitern Jesu infolge ihrer falschen Bekenntnisse und Machtansprüche. Erst am Vorabend seines Todes, bei seiner letzten Mahlfeier, spricht Jesus beim Brechen des Brotes dessen Bedeutung offen an. Auch dazu folgt ein eigener Beitrag.


Den Zehn, die sich über [die beiden lohnfordernden Märtyrer] Jakobos und Johannes ärgern (10,41), erklärt Jesus den Zusammenhang der Sklavenarbeit des Tischdienstes und seiner Selbsthingabe: Der Menschensohn kam nicht, um [am Tisch] bedient zu werden, sondern um [zu Tisch] zu dienen, – und sein Leben zu geben als Lösegeld anstelle von Vielen.


Darauf weist er bei der letzten Mahlfeier die Zwölf mit dem Brechen des Brotes hin (14,22, vgl. Bild oben). Im Anschluss daran deutet Mk im Kontext des Kelchworts das eigentliche Problem an: Hat Jesus bei dieser Gelegenheit überhaupt einen gültigen Bund mit den Zwölfen geschlossen? Eine ausführliche Antwort auch dazu folgt.


Hier in Kürze: Die zweite Buch-Hälfte gibt die ausführliche Erklärung dafür, warum nicht  nur das Führungsgremium der Zwölf versagt, wenn alle den Bund mit Jesus brechen, und warum das Triumvirat und in seiner Blindheit besonders Petros schuld daran sind, wenn Jesus ein zweites Mal gekreuzigt wird (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-sie-kreuzigen-ihn-doppelt-mk-15-24f).


Die erste Buch-Hälfte des Mk bietet, wenn man so will, eine ausführliche Einleitung zur letzten Mahlfeier Jesu und deren Folgen. Nur insofern ist die Erzählung des Mk eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung.


PS: Hier noch die Umschrift des Brotwortes (14,22), wie es im Bild (s.o.; Cod. Sin.) zu sehen ist:


[...] και

εϲθιοντων αυτω 

λαβων ο ιϲ αρτον 

εκλαϲεν ευλογηϲαϲ 

και εδωκεν αυτοιϲ 

και ειπεν λαβετε 

τουτο εϲτιν το ϲω

μα μου · και λαβω

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