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Die Geschichte der sog. Auferstehung (Mk 16)

Aktualisiert: 20. Okt.

Warum schließt das Markus-Evangelium nicht mit einer Ostergeschichte?


Das Ende ist ein Desaster. Ein Grab, das nicht leer ist, weil darin statt einer Leiche ein zweifelhafter Bursche auf dem Ehrenplatz zu sehen ist. Frauen, die Jesus salben wollen, aber nur bekannte Informationen und einen zweifelhaften Auftrag erhalten. So erfahren auch wir, dass Jesus angeblich den Jüngern und Petrus nach Galiläa vorangehe. Wofür das?


Um die Auferstehung Jesu geht es hier jedenfalls nicht. Über sie wird nichts erzählt, diese Ostergeschichte ist keine. Wäre sie so zu verstehen, wie sie entsprechend den radikalen Umdeutungen von Matthäus und Lukas verstanden wird, dann hätte Mk sie vergleichsweise schlecht erzählt.


Hier zunächst ein paar Fragen an den Text:


1. Warum werden zu Beginn drei Frauen mit Namen genannt (16,1), wo doch unmittelbar zuvor erst zwei Marien eingeführt worden waren (15,47)?


2. Warum kaufen sie Parfum, wörtlich Duftkräuter, die für eine Salbung ungeeignet sind (16,1)?


3. Warum wollen sie eine verwesende Leiche salben?


4. Warum geht es in ihrem Gespräch nicht um Jesus, sondern um einen Stein, der am Ende hinaufgewälzt ist (sic!) und sich erst danach als allzu groß erweist?


5. Wer ist dieser junge Mann, der sich nach dem Gesetz unerlaubt im Grab (wörtlich Grabdenkmal) aufhält und dort auf einem Ehrenplatz sitzt?


6. Was sagt er über Jesus aus - und über seine Schüler (= Jünger)?


7. Was trägt er den Frauen auf, das sie so panisch reagieren lässt?


Hier dazu je eine möglichst kurze Antwort:


1. Die drei Frauennamen in 16,1 sind ein späterer Einschub. Er wurde für den Neueinsatz benötigt, zur Abtrennung einer separaten Ostergeschichte. Bei Markus war ursprünglich nur von jenen zwei Marien die Rede, die zuvor betrachteten, wohin er gelegt wurde (15,47 vgl. Mt 27,61). Die Kapitelteilung und die Einfügung einer Überschrift verstärken zusätzlich den irreführenden Eindruck einer Auferstehungs-Erzählung.


2. Das griechische Wort (arōmata) ist eine Anspielung auf das Hohelied (Cant 4,10 LXX). So ist die Liebe der beiden Marien zu Jesus als Motiv für ihre Salbungsabsicht erkennbar, dasselbe übrigens wie für die (namenlose) Frau, die Jesus in Bethanien mit [dem Öl von] vertrauenswürdiger, kostbarer Narde salbt (14,3 vgl. Cant 1,12). Wofür diese Hinweise auf das Hohelied wichtig sind, ist Thema im Blog-Beitrag über Maria Magdalena. (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/maria-magdalena-geliebte-jesu-oder-ehefrau).


3. Dazu ist noch ein wichtiger Zusammenhang zur Salbungsgeschichte zu nennen (Mk 14,3ff). Jesus hatte diese eigenwillige Salbung mit der Erklärung verteidigt, sie sei zu seinem Begräbnis erfolgt, als proleptische Totensalbung. Das hatten die beiden Marien bei ihrer Salbungsabsicht wohl nicht gewusst, was wiederum belegt, dass sie vom weltweit verkündeten Evangelium nichts erfahren hatten (vgl. 14,9). So gesehen wäre ihr vergeblicher Weg zum Grab die Folge nicht erfolgter oder unzureichender Verkündigung.


Plausibel wäre auch eine ganz andere Deutung. Sie wollen nicht die verwesende Leiche einbalsamieren, sondern den aus den Toten Aufgestandenen zum König der Welt salben. Damit wäre ihre Salbung über das Zeichen ihrer Liebe zu Jesus hinaus ein Akt einer posthumen Königsinvestitur. Dennoch zeigt er ein falsches Verständnis des Evangeliums, denn Jesus braucht zu seinem Königtum keine Salbung, weder proleptisch, noch posthum.


4. Der allzu große Stein ist ebenso wie das Felsengrab eine Anspielung auf Petros und seine Behauptung, Jesus sei der Christos (8,29, vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-c-christus.)


Wenn es hier nun heißt, der Stein sei hinaufgewälzt (sic!, 16,4), dann ist das eine Anspielung auf die (allzu große) Macht des Petros. Der aber hatte Jesus gegenüber auf ganzer Linie versagt, nicht nur als ungläubiger Besserwisser (14,31) oder als Türhüter, da er nicht eine einzige Stunde wachen kann (14,37 vgl. 13,34). Am Ende wird er sogar zum Apostaten, der unter Eid an Jesus den Bann vollstreckt (sic! 15,71, nicht: sich verflucht; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/%C3%BCbersetzungsfehler-in-der-bibel-fehler-der-vulgata-4-2-ultima-verba-petri-mk-14-71).


5. Der junge Mann ist gekennzeichnet durch Eigenschaften der Schreiber (der Schriftgelehrten), die von Jesus scharf kritisiert werden: Sie lieben Ehrenplätze und Begrüßungen und gehen in langen (Frauen-)Kleidern umher (Stola, vgl. 12,38).

Insofern ist seine Autorität, die möglicherweise auch auf Jünglinge in Jes 3,4 anspielt, von vorne herein fraglich.


Außerdem lässt er sich als derselbe Bursche deuten, der als letzter ein peinlich-unpassendes Bild von Jesus-Nachfolge abgibt, indem er sein Leinen fallen lässt und nackt flieht (14,52). Der letzte, der mit der Flucht ein falsches Zeichen von Nachfolge gegeben hatte, wäre dann der erste, der mit einer falschen Verkündigung eine Flucht auslöst. Darauf lässt sich auch die rätselhafte Prophezeiung beziehen, dass Letzte Erste sein werden (10,31).


6. Er grüßt die Frauen mit einem Ausdruck ihres Befindens, nicht mit Fürchtet euch nicht, dem Gruß der Boten Gottes, den er aus den Schriften kennen müsste, so auch von Jesus (vgl. 6,50). Er bezeichnet ihn als Nazarener (nicht: Jesus von Nazareth; dazu später mehr),

als einen Menschen also, der über seine Herkunft definiert wird, sagt aber nichts aus über den zu Gott Erhöhten oder die weltweite Vollmacht des Menschensohns.


Und er behauptet, im Unterschied zur Lehre Jesu, er sei aufgeweckt (sic! nicht: aufgestanden), ignoriert also die Unterscheidung von Aufwecken bzw. Aufrichten und Aufstehen. Jesus kann aus Toten aufwecken, wird aber selbst nicht aufgeweckt, sondern steht aus [den] Toten auf, und dies ausdrücklich erst nach drei Tagen (also nicht am dritten Tag! Mehr zu diesen hintersinnigen Unterscheidungen in einem späteren Blogbeitrag).


Der Bursche sagt den Frauen, was sie bereits wissen, und zeigt ihnen den Ort, wohin sie (!) ihn gelegt hätten. Den Ort kennen sie, denn sie hatten ihn selbst betrachtet (15,47). Was sie besser wissen als er: dass Josef (der von Arimathaia kam, 15,43) ihn allein dort hingelegt hatte. Der daher unzutreffende Plural spielt auf die Grablegung des Johannes an, die durch dessen Schüler erfolgt war (6,29).


Schließlich erteilt der Bursche einen fragwürdigen Verkündigungsauftrag, bei dem er Petros separat nennt, da der nach dem Bann, den er gegenüber Jesus vollstreckt, nicht mehr zu den Schülern zählt.


7. Die Frauen sollen seinen Schülern und Petros mitteilen, dass Jesus ihnen vorangehe.

Wörtlich übersetzt deutet seine Erklärung einen hintergründigen Sinn an: Er führt euch in Galiläa vor [Gericht]. Die Präsensform bedeutet wohl: Das Verfahren läuft bereits. Das erklärt die panische Reaktion der beiden Frauen.


Schließlich kommt er zur alles entscheidenden Falschaussage: Wie er euch gesagt hat.

Jesus hatte gesagt, dass er als Menschensohn wiederkehren und zu sehen sein werde (13,26; 14,62; vgl. Dan 7,13f). Das von ihm fälschlich behauptete Sehen Jesu lehnt Mk ab, ebenso die visionäre Schau des Auferstandenen - zumal als apostolische Legitimation.


Daher kann es bei ihm eine Begegnung mit dem Auferstandenen nicht geben - geschweige denn eine Ostergeschichte.


Und hier eine Übersetzung des (rekonstruierten) Textes Mk 15,47-16,8:


Maria aber, die Magdalenerin, und Maria, die des Joses, betrachteten,

wo er wohl hingelegt wird. […]

und […] kauften Duftkräuter, um nach ihrem Eintreffen ihn zu salben.

Und sehr früh am ersten [Tag] der Woche kommen sie zum Grabdenkmal. […]

Und sie sagten zueinander:

Wer wird uns wegwälzen den Stein aus der Tür des Grabdenkmals?

Und hinaufschauend betrachten sie, dass der Stein hinaufgewälzt ist;

Er war nämlich allzu groß.

Und hereintretend in das Grabdenkmal, sahen sie einen Burschen,

sitzend zur Rechten, umgeworfen ein weißes Kleid. Und sie wurden bestürzt.

Der aber sagt ihnen: Seid nicht bestürzt!

Jesus sucht ihr, den Nazarener, den Gekreuzigten?

Aufgeweckt wurde er, er ist nicht hier.

Siehe: Die Stelle, wohin sie ihn gelegt haben.

Aber geht, sagt seinen Schülern und Petros:

Er führt euch in Galiläa vor [Gericht].

Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat!

Und hinaustretend flohen sie vom Grabdenkmal,

es hielt sie nämlich Zittern und Verwirrung fest.

Und niemandem sagten sie irgendetwas,

sie fürchteten sich nämlich.

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