Wer ist der dritte der drei Simons, der sog. Simon von Kyrene? (Mk 15,21)
- martinzoebeley
- 7. Juli
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen

Es ist auffallend, wie betont Mk die Zahl drei nennt. Unübersehbar ist das schließlich in der Passionsgeschichte, wenn Jesus dem Petros in einem rätselhaften Zahlenspruch prophezeit, dass der ihn dreimal ablehnen werde (14,30; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wie-steht-es-um-petros-und-um-sein-erinnerungsvermögen-mk-14-72).
Den Höhepunkt dieser Zuspitzung auf die Zahl drei stellt das Dreierschema am Todestag Jesu dar – mit der Kreuzigung zur dritten Stunde, der Finsternis in der sechsten und dem Tod in der neunten Stunde (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-sie-kreuzigen-ihn-doppelt-mk-15-24f). Über die Auferstehung Jesu nach (!) drei Tagen erzählt Mk nichts, deren dreimalige Prophezeiung ausgenommen (8,31; 9,31; 10,33f).
Insofern ist es keine Folge historischer Umstände, geschweige denn bloßer Zufall, dass Mk in der Passionsgeschichte dreimal den Namen Simon erwähnt. Wer also ist der Kyrenäer Simon - und wer jener andere Simon, der noch vor dem als Simon angesprochenen Petros Erwähnung findet? Als eigenständige Akteure treten sie nicht in Erscheinung.
Allen dreien ist über den Namen Simon hinaus das Kommen eines je anderen Akteurs gemeinsam, wodurch die beiden Simons im Unterschied zum Simon Petros nicht im Fokus des Erzählers stehen.
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es dabei um ein kunstvolles name dropping geht, in der Absicht, den Tod Jesu subtil mit der Person des Petros zu verknüpfen. Vor einer Beschreibung des Kyrenäers sind daher die beiden anderen Simons in den Blick zu nehmen.
Die drei Stellen sind:
14,3: Und als [Jesus] in Bethanien war, im Haus Simons des Aussätzigen, als er [zu Tisch] lag, kam eine Frau […]
14,37: Und [Jesus] kommt und findet sie schlafend. Und er sagt zum Petros: Simon, du schläfst! Du bist nicht mächtig, eine [einzige] Stunde zu wachen!
15,21: Und [die Soldaten] zwingen einen Vorübergehenden, einen gewissen Simon, einen Kyrenaier, kommend vom Acker, den Vater Alexanders und Rufus‘, sein Kreuz zu tragen.
1. Die Mahlfeier im Haus eines Simons (14,3).
Die eigentliche Passions-Erzählung beginnt mit dem beiläufigen Hinweis auf jenen aussätzigen Simon, in dessen Haus Jesus trotzdem zu Gast ist und der - im Unterschied zum anderen Aussätzigen - offenbar nicht gereinigt (!) wird von ihm (vgl.
Dem geht eine rätselhafte Zeitangabe voraus (14,1), die dazu dient, den längst gefassten Tötungsplan in ein zeitliches Raster einzuordnen (zwei Tage vor dem Fest) sowie eine beachtenswerte Spannung zum Thema der Mahlfeier aufzubauen (Pascha vs. Ungesäuertes Brot).
Unausgesprochen werden in der Exposition wichtige Fragen aufgeworfen, etwa die der Toratreue Jesu angesichts der Unreinheit des Aussätzigen, oder das Thema der Mahlfeier mit ihm. Die bietet sonst bei Mk die Möglichkeit zur Erkenntnis und eine Antwort auf die zentrale Frage, wer er ist (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-e-essen).
Anders als bei den Mahlfeiern zuvor bleibt Jesus hier zunächst passiv. Da er nicht als Hausherr in Erscheinung tritt, spricht er auch nicht den Mahl-Segen. Er wird stattdessen, überspitzt gesagt, zum scheinbar willen- und wehrlosen Objekt einer unmotivierten Salbung, die sich wie die pervertierte Ätiologie des Christus-Titels ausnimmt.
Jedenfalls beginnt die Passions-Erzählung ohne die Schüler, die bei der Mahlfeier im Haus des aussätzigen Simon und daher auch bei der Salbung nicht dabei sind; erst Matthäus fügt sie nachträglich hinzu (vgl. Mt 26,8). In das Haus eines kultisch so unreinen Menschen kommen sie nicht mit, als wollten sie nur deshalb nicht am Mahl mit Jesus teilnehmen .
Damit spielt Mk auf einen Eklat in der frühen Kirchengeschichte (!) an, auf den sog. Antiochenischen Zwischenfall, der durch das opportunistische Verhalten des Petros ausgelöst wurde (vgl. Gal 2,11ff). Auf den kommt Mk mehrfach zurück – im Unterschied zu Lukas, der in seiner Apostelgeschichte dazu neigt, Konflikte nicht zu benennen oder ganz auszusparen.
Der Jesus des Mk verhält sich dazu wie zu anderen Problemen, die plausibel nur mit der Zeit des Mk bzw. mit dessen Ablehnung des nachösterlichen Petros zu erklären sind. Gegen die Reinheits-Forderungen der Judäochristen ignoriert sein Jesus daher die von der Tora eigentlich gebotene Kontaktsperre zum Aussätzigen (vgl. Lev 13,45f), wenn er zum Mahl in dessen unreines Haus kommt.
Auslöser der Passion ist trotzdem nicht eine gegen die Tora – und damit implizit gegen den toratreuen Petros – gerichtete Mahlfeier. Es ist nicht einmal die sie störende Salbung, die – wiederum gegen Petros – keine Salbung zu einem Christus bzw. zu einem jüdischen König sein kann (vgl. 8,29).
Auslöser ist einzig der von Petros behauptete Christus-Titel, der die Frauen im äußeren Rahmen der Passion zu ihren Salbungsbemühungen veranlasst und der Jesus im Zentrum als den angeblichen König der Judäer ans Kreuz bringt (vgl. 8,30; https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-sie-kreuzigen-ihn-doppelt-mk-15-24f).
Den entscheidenden Hintergrund der Kreuzigung zur dritten Stunde deutet Mk in der Geschichte des dreimaligen Schlafens in Gethsemani an (14,32ff; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-es-ist-genug-mk-14-41).
Da könnte das Führungstrio in Jesus denjenigen erkennen, der aus Angst – nicht etwa vor dem Tod, sondern bis zum Tod – leiden muss (14,34), nicht etwa unter den Schmerzen von Folter und Spott, sondern unter denen der Auslieferung, der anstehenden Übergabe in die Hände der Menschen (vgl. 9,31). Die aber ist theologisch konstitutiv für die Mahlfeier jener universalen Kirche, bei der Jesus sich selbst in die Hände der Sünder, d.h. der Nichtjuden, gibt.
Nach seinem ersten Gebet in Gethsemani, einer komplexen Bitte an seinen Vater (14,35), kommt Jesus zurück zum Führungstrio von Petros, Jakobos und Johannes und findet die Drei schlafend. Darauf folgt eine irritierende Reaktion, nämlich
2. Der Vorwurf nur an Simon (den Petros, 14,37).
Alle drei schlafen, obwohl Jesus ihnen dreimal das Wachen geboten hatte (13,33,35,37). Der Grund für ihren Schlaf ist bezeichnend: Ihre Augen waren belastet (vgl. 14,40).
Ihnen, die Jesus weder in seiner Vollmacht (vgl. 4,41), noch im Brot erkannt hatten (vgl. 8,14ff), ist es darum unmöglich, ihn nun als den gehorsamen Knecht Gottes zu erkennen, als den Chrestus Jesus, den Mk schon in der Überschrift angekündigt hatte (1,1; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-a-anfang).
Unklar bleibt zunächst, warum Jesus nicht alle drei Schlafenden gleichermaßen anspricht, sondern nur den Petros – und warum er das mit dem irritierenden Namens-Wechsel in der Anrede tut. Ihm allein scheint der Vorwurf zu gelten: Simon, du schläfst! Du bist nicht mächtig, eine [einzige] Stunde zu wachen! (14,37).
Der scharfe Vorwurf wurde in der Überlieferungs-Tradition zur verharmlosenden Frage abgemildert, entsprechend der Version bei Lukas (vgl. Lk 22,46: Warum schlaft ihr?). Schon bei Matthäus ist der abschwächende Plural erkennbar, da sein Jesus sich an die Drei wendet, die nicht mit ihm wachen konnten (Mt 26,40).
Bei Mk steckt hinter dem Vorwurf das auf Petros zu beziehende Rätsel eines Türhüters, der ausdrücklich nicht schlafen darf und insbesondere während der Abwesenheit seines Herrn zu wachen hat (13,33ff). Mk greift damit das Bild der eschatologisch zu deutenden Tür auf, das mehrfach für Petros steht. Mit seinem Schlaf zeigt er ultimativ, dass er nicht einmal als Türhüter in Frage kommt.
Mit dem deutungsoffenen Begriff der Versuchung dürfte der Anreiz zur Flucht gemeint sein, wenn nicht gar zur öffentlichen Lossagung von Jesus, die in Zeiten von Verfolgung und Bedrängnis naheliegt - und die der Petros des Mk tatsächlich vollzieht (14,71).
Dessen Apostasie ist der Grund, weshalb Jesus nur ihn anredet – mit dem sprechenden Namen Simon (er hört). Weil er eben nicht hört, wenn er dreimal schläft – und dadurch auch den ersten der beiden Hahnenschreie nicht als letzte Warnung verstehen kann (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/wie-steht-es-um-petros-und-um-sein-erinnerungsvermögen-mk-14-72).
Unmittelbar vor der Kreuzigung Jesu wird schließlich jener dritte Simon genannt, der sein Kreuz trägt, nämlich dieser rätselhafte
3. Simon, ein Kyrenaier (15,21).
Unklar ist so ziemlich alles, was Mk so nebenbei über ihn erwähnt: Die Herkunft, die Vaterschaft und nicht zuletzt der wesentliche Vorgang, denn auch die Frage, wessen Kreuz er aufheben bzw. tragen soll, wird von Mk nicht eindeutig beantwortet.
Bei Matthäus ergibt sich aus dem Kontext, dass es sich um das Kreuz Jesu handeln muss (Mt 27,32); bei Lukas wird das mit der Erwähnung eines Kreuz-Auflegens explizit zur Sprache gebracht (Lk 23,26). Bei Mk aber bleibt der Bezug des Pronomens sein offen.
Dieser dritte Simon wurde jedenfalls in der späteren Tradition zum eigenständigen Akteur hochstilisiert, der das Kreuz Jesu getragen und damit auf dessen Kreuzweg eine wichtige Aufgabe übernommen habe. Es ist die Frage, ob das auch bei Mk der Fall ist, wo er als bloßes Objekt der ihn zwingenden Soldaten – ohne jede Eigenständigkeit – erwähnt wird.
Sein Kreuz-Aufheben ruft noch einmal in Erinnerung, was Jesus nach dem Satanswort an Petros öffentlich gelehrt hatte: Wenn jemand nach mir kommen will (sic!), soll er sich selbst ablehnen und sein Kreuz aufnehmen und mir nachfolgen! (8,34).
Mit diesem allgemein formulierten Gebot spielt Mk auf den Macht-Anspruch des Petros an, der nicht bereit ist, Jesus zu dienen und sein Leben für die gute Nachricht (Gottes) hinzugeben, und der es deshalb verlieren werde (8,35). Der deshalb im Zentrum der Passionsgeschichte beim mehr oder minder harmlosen Geplänkel mit einem Mädchen opportunistisch sich von Jesus lossagt (14,71).
Und der – so lässt sich spekulieren – bald nach dem Tod Jesu mit einem Führungs-Anspruch aufgetreten ist, den Mk nicht gelten lässt. Jedenfalls wurde dessen bezeichnender Ausdruck („wenn jemand nach mir kommen will“, 8,34, gegen NA 28) abgeschwächt zum blasseren Nachfolge-Gedanken („wenn jemand mir nachfolgen will“), der in der Wortwiederholung am Satzende stört.
Dieser dritte Simon wird jedenfalls kurz vor der Kreuzigung Jesu in Entsprechung zum Petros eingeführt. Dass er zu Jesus gehört und ihm nachfolgt, zeigt Mk mit der kryptischen Herkunfts-Angabe. Denn er kommt ausdrücklich nicht aus dem entfernten Ort Kyrene, sondern vom Acker (15,21).
Die Apposition Kyrenaios weist darauf hin, dass er zu Jesus als dem Kyrios gehört, und das Bild des Ackers deutet an, dass er in Gottes Ackerfeld gepflanzt, gesät oder geerntet hat, dass er also missionarisch tätig war (vgl. 1 Kor 3,9). Zum Begriff des Ackers folgt ein separater Beitrag.
Bemerkenswert daran ist, dass selbst dieser Simon nicht von sich aus bereit ist, sein Kreuz aufzuheben; vielmehr muss er von den handelnden Akteuren, den Soldaten, eigens dazu gezwungen werden. Was das für ihn oder für Jesus bedeutet, wird nicht erwähnt. Offen bleibt auch, wie weit er ihrem Zwang nachkommt.
Stattdessen fügt Mk noch die rätselhafte Angabe hinzu, dass er der Vater Alexanders und Rufus‘ sei, eine den Kontext störende Notiz, in der man üblicherweise eine historische Reminiszenz sehen wollte. Dafür gibt es freilich keinerlei Anhaltspunkte.
Denn auch diese Angabe der Vaterschaft ist allegorischer Natur. Der dritte Simon ist als Vater zweier ungleicher Söhne ein Vater zweier völkerchristlicher Ethnien, der griechischen (Alexander) und der römischen (Rufus). Ob der Name Rufus (rothaarig) auch auf Esau anspielt (vgl. Gen 25,25), sei hier dahin gestellt, ebenso der Zusammenhang mit der Grußliste im Römerbrief des Paulus (Röm 16,13).
Jedenfalls kann dieser dritte Simon damit als ein Völker-Missionar gesehen werden – in Kontrast zum eigenwillig unter den Völkern missionierenden und nicht dazu entsandten Petros. Die Frage wäre dann nur noch, wessen Kreuz er aufhebt, sein eigenes oder das von Jesus. Sprachlich wäre beides möglich; die Tradition geht davon aus, dass er das Kreuz Jesu getragen hat.
Genau das ist es auch, was er in der Mission zu tun hat: Das Kreuz Jesu aufzuheben und es zu den Völkern zu tragen. Somit kann dieser Simon als Prototyp einer judäochristlichen Mission gelten, die erst noch von den Römern gezwungen werden muss, den Völkern das Kreuz Jesu zu verkündigen, nicht aber den ins Grab führenden Christus-Titel des Petros.
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