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martinzoebeley

Glosse - Gern gendern!

Aktualisiert: vor 3 Tagen

Dieser Blog-Beitrag ist ein Aufruf an Sie als Leser:innen, Leser*innen, Leser/-innen oder einfach Lesende – sowie an alle, die solche Erscheinungformen des Genderns ablehnen. Weil es mühsam ist. Weil es falsch ist. Weil es scheußlich ist.


Mal ehrlich. Schön ist es selten, vor allem im Behörden-Jargon, der auch sonst selten schön ist. Freilich habe ich selbst immer wieder eingestimmt in das Lied Das Gendern ist des Pfarrers Lust. Was muss das für ein Pfarrer sein, dem niemals fiel das Gendern ein?


Was mich betrifft, so habe ich Gendern – oder das, was dabei selbstverständlich sein sollte – stets für selbstverständlich gehalten. Weil ich geschlechtergerechtes Sprechen richtig fand. Und wichtig, weil ich keinen außen vor lassen wollte.


Wobei ich das heute so nicht mehr sagen würde. Denn ich habe gelernt, dass man man durch mensch und keinen durch niemand ersetzen sollte. Das legt einen kleinlichen Einwand nahe: Wenn es keine gibt, die damit angesprochen wird, kann sich niemand ausgeschlossen fühlen.


Wie dem auch sei. Mensch könnte meinen, dass es angesichts der weltpolitischen Aufgaben Wichtigeres gibt als die wohlmeinenden Tipps der EKD für eine geschlechtergerechte Sprache. Oder auch die noch viel weiter gehenden Anregungen des Vereins für geschlechtsneutrales Deutsch e.V..


Der will beispielsweise die schöne, aber sexistisch konnotierte Jungfrau durch die weniger belastete Jungfer für beide Geschlechter ersetzen. Bleibt abzuwarten, wie diese originelle Idee den Diskurs befruchtet. Und was die Hl. Jungfer Maria bei ihrer nächsten Erscheinung dazu sagen wird.


Hier soll es nicht schon wieder um sie gehen, um diese Projektionsfläche geschlechtsloser, scheinbar so unschuldiger Reinheits-Phantasien, die im Blog unlängst Thema war (Vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/glosse-kopflose-kirche), geschweige denn um jenes Dominanz-Verhalten, das uralte Rollen-Muster unverändert und deren Sprache unvergendert lassen möchte. Hier geht es um das Gendern biblischer Texte, das die Bibel in gerechter Sprache zum Programm erhoben hat.


Im Evangelium nach Mk werden manche Muster kunstvoll aufs Korn genommen. Da ist Herrschen nicht einfach männlich, wie Dienen nicht per se weiblich ist. Am Ideal des selbstlosen Dienens hängt sogar die Machtkritik des Mk.


Jesus selbst sei gekommen, um [zu Tisch] zu dienen und sein Leben zu geben für viele (10,45). Dieses Ideal trägt er auch seinen unfolgsamen wie begriffsstutzigen Schülern auf, insbesondere dem Machtzentrum von Petros, Jakobos und Johannes.


Warum muss das hier gesagt werden? Weil diese Bibel-Ausgabe, die sich als geschlechtergerecht ausgibt, nicht nur Probleme mit patriarchalen Strukturen hat, sondern das betonte Dienen der Schwiegermutter des Petros für weiblich, also für unangemessen hält (1,29ff).


Dafür ignoriert sie die eigentliche Pointe. Als die Schwiegermutter fiebert, richtet Jesus sie auf – und das Fieber geht weg. Und was tut die? Sie dient nicht etwa Jesus. Sie dient ihnen, also den umständlich genannten Brüdern und damit dem Machtzentrum der Judäochristen. (Vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-schwiegermutter-des-petros-mk-1-29-31).


Was aber macht nun die Bibel in gerechter Sprache daraus? Da heißt es nicht mehr: Und sie diente ihnen. Sondern: Und sie wurde wie die anderen eine Nachfolgerin Jesu. – Da wird einfach mal so eine neue Frauenrolle in den Text eingeführt, in offensichtlicher Entsprechung zu den Männern. Also ebenso unfolgsam wie begriffsstutzig?


Noch kurioser angesichts der patriarchal geprägten Machtverhältnisse ist der Gedanke, dass Frauen gewaltsam über ihre Völker herrschen würde. Dennoch führt die Bibel-Ausgabe in ihrem Bemühen, sich geschlechtergerecht auszudrücken, die gegenderte Formel Herrscherinnen und Herrscher ein (10,42).


Wie sieht die Machtkritik bei Mk konkret aus? Sein Jesus benennt den gegen Petros bzw. das  Machtzentrum gerichteten Gedanken, dass diejenigen, die als Führer erscheinen, auf ihre Völker herab herrschen und sie von oben vergewaltigen (10,42). Wer [wie Petros] der Erste sein wolle, müsse [wie Jesus] ein Sklave von allen sein (10,44).


In der besagten Bibel heißt es nun geschlechtergerecht: Die als Herrscherinnen und Herrscher über die Völker gelten, herrschen mit Gewalt über sie, und ihre Anführer missbrauchen ihre Amtsgewalt über sie.


Die Frage ist freilich nicht, wie gerecht es ist, wenn in der Satzparallele die gegenderte Entsprechung zu den Anführern fehlt. Die Frage ist, ob denn wirklich alles gegendert werden muss, was sich nicht dagegen wehren kann.


So jedenfalls geht es nicht. Weil es mühsam ist. Weil es falsch ist. Weil es scheußlich ist.


Daher appelliere ich an alle, die in den Kirchen und Gemeinden ihre Stimme erheben: Gendern Sie, was immer Sie gendern wollen. Aber lassen Sie um Himmels willen die Geschlechter-Verhältnisse der biblischen Texte so, wie sie von ihren Verfassern dargestellt wurden. So viel Gerechtigkeit darf sein.


PS:  

Hier noch zwei Links: Der zu den EKD-Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache:


Und der zum genannten Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e.V.:

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