top of page

Glosse - Kopflose Kirche?

martinzoebeley

Aktualisiert: 16. Nov. 2024


Die Kirche hat seit je ein Haupt und viele Glieder. An diesem biblischen (Selbst-)Bild hält sie fest, ob es passt oder nicht. Katholischerseits hat sie sogar ein Oberhaupt, das fest auf einem Stuhl sitzt, der seit je heilig ist. Das wird niemand anzweifeln oder gar absägen wollen.


Damit sind wir schon fast beim Thema. Auch Maria, Vor- und Urbild dieser Kirche, hat ein Haupt, ein hübsches zumeist, das selten einmal schmerzverzerrt ist. Oft hat sie auch einen Ring um ihr holdes Haupt, einen Nimbus, damit sie als Heilige zweifelsfrei zu erkennen ist.


So war es immer schon, ob es nun passte oder nicht. Und so war es auch mit der Marien-Skulptur im Mariendom von Linz. Die saß fest auf einem Fels-Sockel und hatte, wie das bei einer Maria öfter mal vorkommt, ein Baby. Allerdings nicht im Arm oder an ihrer keuschen Brust.


Diese Maria war – und ist noch immer – eine Frau in partu, mit obszön gespreizten Beinen und hochgezogenem Kleid. Das Werk der Künstlerin Esther Strauß zeigt eine gebärende Mutter, die ein Kind aus ihrem heiligen Leib hervorbringt, just in dem Moment, da der Kopf des Neugeborenen zu sehen ist. Noch ohne Nimbus.


Die gleichfalls noch nicht mit einem Nimbus gekrönte Künstlerin nannte ihr Werk Crowning. So wird im Englischen eben jener Moment der Geburt bezeichnet, when the infant's head is passing through the vaginal opening.


Eine gebärende King's Queen? Der Aufschrei in katholisch-reaktionären Kreisen war absehbar. Doch löste die Heilige in ihrer zwar mütterlichen, männlichen Begierden aber abholden Pose mehr als Zweifel aus, den Drang nämlich, ihr Haupt abzusägen.


Und es geschah so. Der Circumcisio Matris Domini folgten, wiederum absehbar, Nachwehen, ein Aufschrei in der heiligen Welt der Kunst. Ob das verstümmelte Kunstwerk nunmehr die Geburt durch eine Enthauptete zeigt? Bis auf weiteres wird das niemand behaupten können. Die Heiligenfigur bleibt im Dunkel der Kirche eingesperrt.


Wie ist das brutale Vorgehen des (oder der) Absägenden zu verstehen? What is the body when the head is off? - So fragt in diesem Fall nicht Radio Vatikan, sondern Shakespeare, durchaus mit Recht.


Das ist die Frage. Kann diese Gebärende, deren Kind bereits zu sehen ist, noch als Gottesmutter und Vorbild der Kirche gelten? Was heißt das für sie als Mutter, wenn ihr Leib pränatal bereits enthauptet ist? Dazu hat schon Rainer Maria Rilke sich ungewöhnlich klar geäußert: Jetzt kann ich dich nicht mehr gebären.


Die Kirche versucht, das Geschehen im Dunkel der Geschichte ruhen zu lassen, wie sie das früher immer gemacht hat, wenn in ihrem Halbdunkel Scheinheiliges geschah. Nun aber ermittelt der Staatsschutz. Bei Telegram hat ein Täter (m/w/d) sich dazu bekannt, der für seine Tat als Held von Linz gefeiert werden möchte.


Das theologische Problem dabei ist natürlich nicht, warum eine Jungfrau ein Kind gebiert. Die katholische Dogmatik hat vielmehr zu klären, ob die Darstellung einer gebärenden Maria ihr den Anschein der Jungfräulichkeit nimmt. Wie sie sich zu einer Kunst verhalten soll, die das heilige Hymen offensichtlich nicht intakt lässt, post partum. It is what it is.


Fragen bleiben. Wofür wird die Mater dolorosa vor den Augen der lüsternen Öffentlichkeit geschützt? Was sagen diejenigen dazu, die eine Jungfrau als Muttergottes verehren, als Gebärende aber schänden wollen? Und, last not least: Wie kopflos ist die Kirche wirklich?

 


PS: Für diejenigen Leser (m/w/d), die in dieser Glosse den Bezug zu Mk vermisst haben, seien hier ein paar Links genannt.

Zum Thema Maria:

Und zum Thema Enthauptung:


Übrigens ist auch diese überaus heikle Frage noch offen: Was bedeutet das einzigartige Wort εκεφαλιωσαν in 12,4? Übersetzt wird es meist der Vulgata entsprechend mit Ausdrücken wie an den Kopf schlagen, oder am Kopf verwunden. - Da kann man sich nur an den Kopf fassen...


Und hier noch zur einschlägigen Seite der Diözese Linz:


20 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


©2022 Skandaljünger. Erstellt mit Wix.com

bottom of page