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Ceterum Censeo: Wollte Jesus als Messias verborgen bleiben? (4/7)

Aktualisiert: 9. Juni



Aus Gründen, die noch zu benennen sein werden, halte ich es für falsch, wenn in der akademischen Theologie…


…die Theorie eines sog. Messiasgeheimnisses noch heute vertreten und als theologisches Programm des Mk gelehrt wird.


Seit über hundert Jahren geht die Theologie von einem sog. Messiasgeheimnis aus. Die wirkmächtige Theorie von William Wrede besagt, dass das wahre Wesen Jesu und insbesondere seine Messianität geheimnisvoll verborgen gewesen seien. Erst nach Ostern sollten sie offenbart und von den Jüngern verkündigt werden (vgl. William Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen, 1901).


Richtig ist, dass der Jesus des Mk nicht offenbart werden will (vgl. 7,24) und die Akteure durchweg vergeblich zum Schweigen auffordert. Als seine Zeugen kommen sie daher nicht in Betracht. Das gilt ganz besonders für die Schüler, deren Unverständnis auch das Thema der Messianität betrifft, die Petros als ihr Sprecher behauptet (Du bist der Christus, 8,29).


Jesus fordert die Akteure nicht deshalb zum Schweigen auf, weil seine Messianität verborgen bleiben soll, sondern weil sie ihn nicht richtig erkennen können. Daher ist die witzig erzählte und oft nur angedeutete Übertretung der sog. Schweigegebote ein oft wiederholtes Motiv, geradezu einer der running gags des Mk.


Als ein Argument für Wrede und seine Nachfolger:innen gilt eine Anweisung Jesu im Anschluss an die sog Verklärungsgeschichte (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-verklärung). Das Triumvirat der Schüler, die Trias der in Auferstehungsfragen besonders unterwiesenen Schüler Petros, Jakobos und Johannes sollte nicht erzählen, was sie gesehen hatten, außer, wenn der Menschensohn von {den] Toten aufgestanden sei (9,9).


Anders als von Wrede & Co. behauptet, ist diese in indirekter Rede erzählte Anweisung bei Mk nicht zeitlich befristet. Das ist sie erst bei Matthäus, der den Satz zu einem Terminwort umdeutet (bis der Menschensohn…, Mt 17,9). Bei Mk bezieht sie sich nicht auf Ostern, sie ist vielmehr ein Witz, eine ironische Spitze gegen diejenigen, die Jesus hören, d.h. dem Sohn Gottes gehorchen sollen, anstatt Sichtbares zu erzählen.


Das wirft ein Licht auf ihre Lernfähigkeit und ihren Gehorsam, besonders auch auf das Hörvermögen des Petros. Das wird in einer satirischen Heilungsgeschichte in Frage gestellt (7,31ff). An deren Ende heißt es nur, dass er richtig redete (7,35). Das sollte er nach seiner Scheinheilung ausdrücklich nicht, sie aber tun es über die Maßen (7,36). So ist keine Rede davon, dass er richtig hören kann.


Die Anweisung Gottes wirft ein Licht auch auf die Frage eines Schreibers, was das erste Gebot von allen sei (12,28). Auf Jesus zu hören ist das einzige Gebot Gottes an die Schüler (9,7). Das aber befolgen die Drei nicht, insbesondere Simon (Petros), der nicht imstande ist, eine einzige Stunde wach zu bleiben (14,37).


So sind diese beiden Geschichten (die der Verklärung und die in Gethsemani; 9,2ff bzw. 14,32ff) kontrastiv aufeinander bezogen, indem sie belegen, dass die Drei in Jesus weder den machtvoll Erhöhten, noch den menschlich Erniedrigten erkennen können.


Jedenfalls ist die Theorie Wredes mit ihrer anachronistischen Formulierung nach Ostern mit einem Text nicht zu vereinbaren, der über Ostern nichts erzählt. Weder das Auferstehungsgeschehen, noch die Zeit danach können als Ausgangspunkt einer neuen Verkündigung gelten, geschweige denn einer tragfähigen Christologie.


Außerdem kommen seine Schüler auch nachösterlich als Apostel nicht in Frage. Deren Aussendungen führen allenfalls mit ironischen Brechungen zur Erfüllung des jeweiligen Auftrags (vgl. 6,30ff). Dieser von Mk vielfach angedeutete Eigensinn der Schüler ist unvereinbar mit antikem Gesandtenrecht; bei Mk ist er ebenfalls ein running gag.


Schließlich waren sie alle vor der Kreuzigung geflohen (14,50). Da sie nicht rehabilitiert und am Ende nur als Empfänger einer abgründigen Botschaft beiläufig erwähnt werden (16,7), bleiben sie als Zeugen für Jesus so unbrauchbar wie zur Offenbarung seines vermeintlich wahren Wesens.


Von einer Messianität Jesu kann bei Mk keine Rede sein, geschweige denn von einem Auftrag zu deren nachösterlicher Verkündigung. Der vorstehende Blogbeitrag zeigt, mit welchen narrativen Kunstgriffen Mk die Messianität Jesu ablehnt (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-c-christus).


Als alternative Erklärung für diese mk-spezifische Ablehnung der Messianität sei eine hier nicht weiter begründete und durchaus spekulative These vertreten. Der Christus-Titel konnte im Römischen Reich nicht verkündigt werden, weil er dort nicht vermittelbar war. Jesus konnte im Vorfeld des Jüdischen Krieges nur der von Jesaja verheißene universale König und zugleich Sklave Gottes sein, nicht aber ein auf der Gegenseite der Römer hoffnungslos unterlegener jüdischer Provinzkönig, der noch nicht einmal in der Lage sein würde, sein eigenes Heiligtum vor ihnen zu schützen, geschweige denn sich selbst.


Der Petros des Mk ist dabei derjenige, der ohne aus dem Konflikt mit Jesus vor Caesarea Philippi gelernt zu haben (vgl. 8,29ff) den Titel in die Stadt des Kaisers (d.h. nach Rom) bringt, dort aber aus eben diesen Gründen nicht zu ihm stehen kann. Damit entspricht die opportunistische Ablehnung des Christustitels der Kehrtwende Jesu, die eben wegen dieses Titels in den Tod führt.


Vorschau: Ceterum Censeo 5/7

Aus Gründen, die noch zu benennen sein werden, halte ich es für falsch, wenn in der kirchlichen oder akademischen Theologie…


…unkritisch der Begriff des Wunders Verwendung findet, zumal dann, wenn hinter den sog. Wundergeschichten jeweils ein historischer Kern vermutet wird.

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