Glosse: Vorsicht, antijüdischer Witz!
Aktualisiert: 9. Jan. 2023
Die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie nicht mit der Faust die Hände waschen (7,3).
Früher waren Witze üblich über langweilige Lehrer, mächtige Männer oder die katholische Kirche. Ja, das waren Zeiten, als Herren noch üble Herrenwitze und Juden Judenwitze machen konnten. Freilich gab es auch den kleinen Unterschied zwischen denen, die über sich selbst, und jenen, die nur über andere lachen konnten.
Jene, die es schön finden, andere auszulachen, zu verspotten, zu blamieren, gibt es nach wie vor. Das liegt nicht an langweiligen Lehrer:innen, nicht einmal an mächtigen Männern wie Putin, über den man, anders als über den fränkischen Mk, hierzulande kaum Witze kennt. Auch an den Kirchen liegt es nicht, über die derzeit viel gespottet wird, trotz aller Verdienst‘ und Würdigkeit.
In der Kirche selbst wird heute kaum je gespottet, weil Jesus alle Menschen liebt und immer so achtsam ist zu ihnen. Sollte Jesus jemals einen Witz gemacht haben, war der selbstredend politisch korrekt. So heilig ist die Bibel heute, und so macht sie längst keine Witze mehr.
Und wenn doch? Darf man schmunzeln, wenn der Witz einst gegen Juden ging – oder ist das so übel wie bei Herrenwitzen, die ohnehin nicht vom Herrn her kommen, sondern von Männern, die auch einmal mächtig sein wollen?
Einfacher ist es, einen Witz nicht zu bemerken. Das gehört dazu, auch bei jenen Theologen, die nicht über sich selbst und ihre Dogmen lachen wollen. Wer noch einen Grund braucht, über die Kirche zu spotten, die sich selbst an der Macht halten will, hat ihn hiermit.
Einfacher ist es auch, über einen Judenwitz zu schmunzeln, der von einem Juden kommt. Mk sei selbst Jude gewesen, so wird gesagt, weil er sich so gut in ihren Schriften auskennt. Aber wie soll man damit umgehen, wenn er abgrenzend von ihren Synagogen spricht, in denen Jesus die Dämonen hinausgeworfen habe (1,39)? Das ist kein Witz.
Aber der hier: Die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie nicht mit der Faust die Hände waschen (7,3). -
Was soll nun bitte witzig sein, wenn Mk jüdische Reinheitsbräuche verrätselt? In deutschen Übersetzungen ist das als Witz ohnehin nicht zu erkennen. Und das liegt diesmal nicht daran, dass er gegen alle Juden gerichtet ist.
Für Luther wird solche Vorsicht ohnehin kaum gelten können, der bei Judenwitzen sich die Hände gerieben und seine eigene Übersetzung als Witz gesehen haben mag: Die Phariseer und alle Jüden essen nicht / sie waschen denn die hende manchmal.
In der aktuellen Edition der Einheitsübersetzung hört nicht nur der Spaß beim Händewaschen auf: Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben.
Das ist immerhin verständlich, zumal in dem redlichen Bemühen, alle Juden aus der Schusslinie zu nehmen. Fast so hygienisch kommt der Satz inzwischen sogar bei Luther rüber; in ökumenischer Eintracht reichen die Übersetzenden sich ihre desinfizierten Hände.
Was ist einfacher, zu sagen, dass der Satz bei Mk ein Witz ist, oder zu sagen, warum das eine rätselhafte Frage ist (vgl. 2,9)? So blödsinnig es sein mag, einen Witz zu erklären, so nötig ist das hier und heute – wie bei allen Rätselwitzen des Mk, die erst aufzulösen sind, bevor über sie geschmunzelt werden kann.
Es liegt auf der Hand, dass eine die andere wäscht. Das wusste Mk ebenso wie alle Römer, die ihre Hände nicht immer nur in Unschuld gewaschen haben. Was sie nicht wissen konnten: Wie virologisch korrektes Händewaschen geht.
Aber, dass eine Faust die andere Hand nicht waschen kann, wussten alle, Juden wie Römer. Sie wird unrein bleiben, selbst mit Virilium, das so heißt wie ein Potenzmittel für Männer, die nicht nur sauber, sondern rein sein wollen.
Die Pointe ist klar: Wer mit der Faust die andere Hand wäscht, wird eine unreine Hand behalten. Wer das aber so thematisiert, dürfte – mal ins Unreine gesprochen – etwas anderes im Blick haben als nur die Reinigungspraktiken aller Juden.
Tatsächlich geht es, wie so oft bei Mk, letztlich auch hier nur um das Eine, um das Essen. Mk hat mit dem Händewaschen vor dem Essen das Herrenmahl im Blick, das Christ:innen von allen Juden seit je unterscheidet. Die Reinheitsfrage ist also eine innerkirchliche, wobei das Wort Herrenmahl verdächtig nach einem Herrenwitz klingt.
Mal abgesehen davon: Dieser Satz ist in seinem Kontext so verschachtelt konstruiert, dass es schwer fällt, ihn nicht als eine satirische Anspielung auf verklausulierte Rechtstexte zu lesen.
Über alle Juden spottet Mk so wenig wie über jüdische Schriftgelehrte. Er zielt auf diejenigen, die in der Kirche falsche Bedingungen für die Mahlfeier einführen oder hochhalten wollen. Und meint damit nicht die katholische Kirche, wohl aber ihren römischen Felsenmann Petros sowie diejenigen (Schreiber), die ihm entsprechende Rechtstexte liefern.
Des Rätsels Lösung zeigt sich in ihren Synagogen, in denen Mk sich nicht von den Juden abgrenzt, sondern von seinem judäochristlichen Führungspersonal, von Petros und Co. (vgl. 1,23). Die bekommen von Jesus und seiner Lehre in der Synagoge nichts mit (1,21), bevor in ihrer Synagoge ein ziemlich unreines Wissen über ihn behauptet wird (1,23).
Wenig später zeigt sich das Problem in ihren Synagogen (1,39), wo Jesus sogar gegen Dämonen vorgehen muss. Zuvor will er Petros und Co. lieber nicht nach Rom schicken, sondern ausdrücklich nur in den Käffern der Umgebung behalten (1,38). Wofür das? Um dort selbst zu verkünden? - Weniger Apostelauftrag geht nicht.
Kurz: Mit seinem Witz zielt Mk auf Männer wie Petros, die auch einmal mächtig sein wollten - und es als Menschenfänger waren.
Fazit: Darf man also über Christen lachen? Nein? Man muss...
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