Glosse: Offensichtlich...
- martinzoebeley
- 8. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Juli

Was diesem Blog offensichtlich fehlt, ist das Netz der einschlägigen theologisch-wissenschaftlichen Fach-Literatur. Das hat gute Gründe – und soll verhindern, was in diesem Beitrag ausnahmsweise der Fall ist: dass er völlig aus dem Ruder läuft. Vorab also eine Bitte: Wer jemals in der Branche neutestamentlicher Forschung veröffentlicht hat, ignoriere einfach alles, was hier nur ins Unreine gesprochen wird.
Wie die Unreinen Geister einst den Jesus des Mk nicht offenbar machen sollten (3,12) und doch nicht gehorsam genug waren, um sofort zu verstummen, so sollen in diesem Beitrag endlich einmal Stimmen laut werden, die den aktuellen Geist der Theologie offenbaren.
Ist bei Mk nur deshalb alles klar, weil es nichts Verborgenes gibt, ohne dass es offenbar werde (4,22)? Ist denn über Jesus nicht schon alles ans Licht gekommen, dank Mk und der erhellenden Forschungen über ihn? Der/die das Lesende soll verstehen (13,14).
Eigentlich kann es nichts geben, was noch im Unklaren oder zu beweisen wäre. Wenn doch, so möge die Leuchte kommen, die nicht unter den Scheffel oder unter die Essliege gestellt werden darf (4,21). Für Erleuchtung, Erheiterung oder aber Ernüchterung sollte dieser Blog eigentlich ausreichen. Wenn nicht, so mag ein Klarer helfen.
Es gibt klare Dinge, die man weder beweisen kann, noch muss (Strindberg). In der Theologie gibt es erstaunlich Unklares, Wunder etwa, oder Geheimnisse. Und es gibt Rätsel, wie die des Mk. Sonderbares gibt es zusätzlich in Übersetzungen des Mk, wenn das Offensichtliche trüb, und in Kommentaren, in denen das Offenbare dunkel scheint. Für beides hier je ein Beispiel.
Klar ist, dass der Petros des Mk keine Netze herumwirft (1,16). Doch in allen Bibel-Übersetzungen geht es nicht anders, da muss die Lücke gefüllt werden. Also werden die angeblich fehlenden Netze eingefügt, manchmal mit der lückenhaften Begründung der ihrerseits lückenhaften Wurfnetze. Mit historischen Erklärungen lässt sich leicht in seichtes Wasser führen, wer im Trüben fischen möchte.
Klar ist aber auch, dass der Petros des Mk nur die Netze verlässt (1,17). Auf die Frage, warum er das tut, vermag einzig die Theologie Klarheit zu schaffen. „Der engste Kreis der Nachfolger hatte offenbar buchstäblich ‚alles verlassen‘, wie es Petrus in Mk 10,28 formuliert, um in der Gemeinschaft mit Jesus eine neue Lebensform zu finden.“ [1]
Ungeachtet dessen, was Forscher sonst so formulieren, ist das etwa so klar wie Kloßbrühe. Offenbar ist es mitnichten, was der Fischer vormals formuliert, was der engste Kreis buchstäblich verlassen oder welche Lebensform er dadurch gefunden hat. Wollen Theolog:innen sich etwa an dem Licht wärmen (vgl. 14,54), hinter das sie ihre Gefolgschaft führen?
Gleichwohl stellt derselbe Forscher andernorts klar, es sei „offensichtlich, dass die Jesusüberlieferungen im Prozess ihrer Weitergabe nicht nur vom Aramäischen ins Griechische übersetzt, sondern auch zu Spruchgruppen, Gleichnisreden oder Reihen von Konfliktszenen zusammengestellt wurden; dass sie nach dem Modell etwa von Chrien oder Heilungserzählungen literarisch geformt wurden; dass sie schließlich im Licht des Glaubens an die Auferweckung und Erhöhung Jesu interpretiert wurden.“ [2]
Mit Verlaub: Nichts davon ist offensichtlich. Vielleicht hatte der renommierte Hochschul-Lehrer, dem schon deshalb eine spezielle Sehschwäche nicht unterstellt werden darf (vgl. 8,18), eine ganz persönliche Vision samt Audition, bei der ihm Jesusüberlieferungen offenbart wurden. Wie sonst könnte ihm diese höhere Weisheit und nicht zu hinterfragende Autorität zuteil geworden sein?
Allen anderen, die ihren Jesus in der Finsternis von Lehre oder Liturgie suchen, bleibt zu wünschen, dass die Klarheit des Herrn auch sie umleuchten möge, bevor sie sich dem Historischen – also dem echten – Jesus zuwenden. Nicht, dass ihnen an seiner Stelle noch jenes kryptische Messias-Geheimnis ins Netz geht, das einzig die Spannung von Offenbarung und Verhüllung erklären könne und für Mk so typisch sei.
Jedenfalls ist längst klar, warum Petros, der erste Hochschüler überhaupt, ganz offensichtlich so viel reden und dabei erstaunlich viel Unsinn formulieren darf. Was indes alle anderen, also die ihm folgenden Schüler, nicht daran hindert, dasselbe zu sagen (14,31).
Solche sonderbaren Echos, ein Erbe des Apostels, sorgen für nicht minder sonderbare Sukzessionen. Wenn der geistig überaus unbedeutende Papias meint, Mk sei der Dolmetscher des Petrus gewesen,[3] offenbart auch er wenig mehr als einen bemerkenswerten Unsinn. Was seine treue Gefolgschaft indes nicht daran hindert, dasselbe zu sagen.
Schließlich bleibt es das Geheimnis eines Online-Beitrags über das Markus-Evangelium, dass dessen Verfasser gar „kein besonderes Interesse an Petrus erkennen“ lasse.[4] Ferner heißt es da in auktorialer Diktion über Mk, er stehe "noch unter dem Eindruck der Kriegsereignisse und ist offensichtlich bemüht, aufkeimende apokalyptische Erwartungen und Befürchtungen zu dämpfen.“ Sorry, aber das offensichtlich ist bullshit.
Das Ende ist nahe, wie befürchtet, und damit jener Tag, da das Verborgene offenbar wird.
Alles klar...?
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[1] Jens Schröter, in debatte 2012 – 5, Veröffentlichung der Kath. Akademie Bayern. So auch in MThZ 64 (2013) 157–17, S. 169; online abrufbar unter https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://mthz.ub.uni-muenchen.de/MThZ/article/download/2013H2S157-173/5227/7258.
[2] Jens Schröter, Geschichtshermeneutische Reflexion zur Jesuserinnerung, in: Jesus, quo vadis?, ed. Eckart D. Schmidt, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, BThS 177. Online abrufbar unter: https://www.academia.edu/39429831/Jesuserinnerung_Geschichtshermeneutische_Reflexionen_zur_Jesusforschung.
[3] Eusebius, HE III,39,15, vgl. GCS IX, S. 290 u. 292.
[4] Klaus-Michael Bull, 2.3. Das Markusevangelium (Mk), in https://www.die-bibel.de/ressourcen/bibelkunde/bibelkunde-nt/markusevangelium-mk.
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