Glosse: Nackte Fakten (Mk 14,51f.)
Das Erhabene und das Lächerliche liegen oft nahe beieinander, ebenso wie das Tragische und das Komische, wie die folgende Geschichte zeigt.
Wer in München seinen nackten Körper herzeigen wollte, hatte einst im Englischen Garten die Möglichkeit dazu. In den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt das als ganz normal, mit der Folge, dass Touristen aus aller Welt kamen und sehen wollten, wie man ohne Kleidungsstücke und Schamgefühle Fußball spielen oder in der Sonne liegen kann.
Die Zeiten derart demonstrierter Nacktheit sind längst vorbei. Wenn überhaupt, zeigt man heute nur noch seinen durchtrainierten Körper, der durch regelmäßiges Jogging in Form gehalten werden muss. Fit statt fett. Body statt Bierbauch.
Vor einiger Zeit wurde ein Ereignis bekannt, das in der benachbarten Himmelreichstraße sich zugetragen hatte. Nach einem ausgelassenen Abend ging der 27-jährige Jürgen R. in die Wohnung seiner 24-jährigen Bekannten Stefanie W., legte sich dort zu Bett und schlief ein.
Im Morgengrauen dann der Schock: Der Schwager der jungen Frau, entsetzt über den Anblick des unerwarteten Gastes, stürmt ins Zimmer und schlägt mit einer Spielzeug-Pistole auf ihn ein, in der Vermutung, einem Verbrecher auf der Spur zu sein.
Jürgen R. rennt um sein Leben und flieht, in eine Decke gehüllt, in den Englischen Garten. Gesehen wird er dabei von einigen Joggern. Der rabiate Verfolger erwischt ihn schließlich am Monopteros und raubt ihm dort die Decke.
„Etwa drei Stunden kauerte ich hinter einem Gebüsch.“ gab der Geschädigte später an, der für den Spott nicht zu sorgen brauchte.
Auch Mk erzählt in der Passionsgeschichte von einem jungen Mann auf der Flucht, der einzig in ein Leintuch um den nackten […] gehüllt ist. Seiner Verhaftung entkommt er dadurch, dass er das Leintuch fallen lässt.
Beschämend ist nicht nur die Lächerlichkeit der Flucht-Umstände. Beschämend ist auch deren wissenschaftliche Aufarbeitung. Sie wird einfach deshalb so ergebnislos bleiben, weil noch so viele historische Befunde literarische Fiktionen nicht erklären können.
Anders gesagt: Weil die Geschichte der Nackten im Englischen Garten mit der Erzählung des Jürgen R. nichts zu tun hat.
Trotzdem stehen kluge Köpfe noch immer vor der Frage, welche historische Person wohl hinter diesem jungen Mann zu erkennen sei.
Besonders peinlich ist die These, Johannes Markus und damit der Autor selbst sei es gewesen, der auf die Weise sich in Szene gesetzt habe, wie weiland Alfred Hitchcock in seinen Filmen. Die besten Witzgeschichten schreibt noch immer das reale Leben.
Wie die Geschichte ausging? Gegen Jürgen R. wird ermittelt, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Bei Mk aber wird dieser nackte Bursche just als jener Jüngling zu erkennen sein, der im Grabdenkmal das letzte Wort hat – und sich dabei auf Jesus beruft.
Chleudert den Purchen zu Poden!
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