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martinzoebeley

Ceterum Censeo: Was heißt hier Wunder? (5/7)

Aktualisiert: 23. Feb.


Aus Gründen, die noch zu benennen sein werden, halte ich es für falsch, wenn in der kirchlichen oder akademischen Theologie…


…unkritisch der Begriff des Wunders Verwendung findet, zumal dann, wenn hinter den sog. Wundergeschichten des Mk ein historischer Kern vermutet wird.


In diesem Beitrag soll es nicht darum gehen, die weit verbreitete Wunderkritik zu reflektieren oder sie einmal mehr als ein typisch neuzeitliches Phänomen zu beschreiben. Vielmehr soll ein Schlaglicht auf den in der gesamten deutschen Theologie üblichen und doch fragwürdigen Sprachgebrauch geworfen werden.


Es ist irritierend, wie selbstverständlich bei Mk von Wundern gesprochen wird, sogar von unterschiedlichen Wundergattungen. So suggeriert etwa der Begriff eines Naturwunders (zu 4,35ff; 6,45ff) die Geltung von Naturgesetzen und damit einen anachronistischen Maßstab. Beim verdorrten Feigenbaum (11,20) von einem Strafwunder zu sprechen ist ebenso unsachgemäß wie die Rede von einem Geschenkwunder bei den Sättigungserzählungen (6,35ff; 8,1ff).


Die Begrifflichkeit entstammt der Historischen Jesusforschung, die naturgemäß zu einem ausschließlich narrativ bedingten Thema wenig beitragen kann. Bei Wunder-Erzählungen erscheint es besonders absurd, einen historischen Kern vermuten zu wollen.


Aus mehreren, vor allem aus philologischen Gründen ist schon der Terminus Wunder irreführend. Ein Grund ist besonders bei Mk offensichtlich: Er verwendet für die höchst erstaunlichen, wunderhaften Taten Jesu nicht die entsprechenden Begriffe τερατα bzw. θαυματα (terata, thaumata).


Was heute in den Evangelien als Wunder Jesu gilt, ist allein Ausdruck seiner besonderen Macht; im griechischen Text ausschließlich als δυναμις (dynamis) bezeichnet, in der lateinischen Übersetzung als virtus (z.B. 6,2.5; 9,39). Der Begriff beschreibt also nicht das mirakulöse Ergebnis einer Handlung, sondern deren Bedingung.


Der Jesus des Mk kann sie nur in der ersten Hälfte der Erzählung wirken, mit der Erniedrigung zum Menschen sind seine Machttaten vorbei (8,27; vgl. 6,5). Ihm zufolge sind aber auch Menschen in der Lage, eine Machttat zu tun, wenn sie etwa in seinem Namen Dämonen hinauswerfen. Danach werden sie nicht übel von ihm reden können (9,39).


Anders als etwa im Evangelium nach Johannes sind bei Mk die sog. Wunder Jesu nicht zugleich auch Zeichen, d.h. Beglaubigungs-Wunder. Es ist bemerkenswert, dass Mk die alttestamentlich geprägte Redewendung σημεια και τερατα (Zeichen und Wunder) nur auf Pseudo-Christusse und Pseudo-Propheten bezieht, auf Verführer also, die die Auserwählten vom Willen Gottes abbringen wollen (13,22).


Wer diese Verführer konkret sind, bleibt offen, da Jesus sie im Kontext seiner prophetischen Rede nicht ausdrücklich beim Namen nennt. Indem sie aber offensichtlich der Macht des Satans unterworfen sind, lassen sie sich im Umfeld des Petros vermuten, der von Jesus ausdrücklich Satan genannt wird (8,33).


Jedenfalls wird die Forderung nach einem Zeichen von den Pharisäern gestellt und damit von offizieller jüdischer Seite. Sie fordern ein Zeichen vom Himmel, um Jesus auf die Probe zu stellen. Er lehnt das gerade nicht von vorneherein ab (8,12), wie in der Umdeutung durch Matthäus (vgl. Mt 12,38) sowie daran anknüpfend in der deutschen Übersetzungstradition, die bei der Formulierung des Mk eine alttestamentliche Fluchformel vermutet.


Wörtlich übersetzt ist die Antwort Jesu bei Mk ein rätselhaftes Amenwort: Amen, ich sage, ob dieser Generation ein Zeichen gegeben wird. Das auffällige Fehlen des in frühen Handschriften nachgetragenen Objekts (Amen, ich sage euch…) soll wohl zum Ausdruck bringen, dass Jesus die Pharisäer kommunikativ ignoriert, dass er sich von ihnen auch nicht versuchen lässt.


Zumal das von ihnen geforderte Zeichen vom Himmel unmittelbar zuvor zu sehen war, als die 4000 Menschen gesättigt wurden (8,1ff). Unhaltbar ist dabei nicht nur der bereits genannte, in der Wissenschaft eingeführte Begriff Geschenkwunder, sondern auch die dafür übliche Bezeichnung einer Brotvermehrung.


Denn in dieser Geschichte geht es Mk nicht um ein Mehr an Brot, sondern um die (geistliche!) Sättigung von Juden und Nichtjuden. Um eine Mahlgemeinschaft also, für die genug da ist und die ohne alle trennenden Reinheits-Vorschriften auskommt. Das Wunderhafte daran wird nicht eigens betont, die Zahl der Gesättigten wird erst am Ende genannt (8,9).


Mk führt seinen Jesus immer wieder an die Grenze seiner Macht. In seiner Vaterstadt kann er keine Machttat tun und nur einige Schwache durch Handauflegen behandeln (6,5). Im Klartext: Wo Jesus nur als Mensch gesehen wird, können Kranke nicht geheilt, geschweige denn Sünder gerettet werden.


Die in Etappen erfolgende Therapie eines Blinden zeigt, warum sogar scheinbar Geheilte Jesus nicht erkennen können (8,22). In einem eigenen Blogbeitrag wird gezeigt, wer mit diesem Blinden gemeint ist: der von Mk als unheilbar dargestellte Petros. Als Satan sinnt er einzig auf das, was der Menschen ist (8,33). Vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-mk-8-22ff-jesus-heilt-einen-blinden).


Wie Jesus dagegen in der Vollmacht Gottes lehrt (1,22), so vermag nur er zu handeln - durch seine Wirkmacht. Und wie die Allmacht Gottes unendlich weit über menschliche Maßstäbe hinausweist, so übersteigt die Vollmacht Jesu alle menschlichen Verstehens-Möglichkeiten.


So gesehen ist die Frage obsolet, wie die scheinbar paranormalen Taten Jesu in der Darstellung des Mk zu erklären sind. Als genuin literarisch konzipierte Erzähl-Einheiten zeigen sie zum einen, wie sehr Jesus den jüdischen Verheißungen, vor allem des Jesaja, entspricht, zum anderen, wie unfähig die erste judäochristliche Generation war, in den Machttaten die Erfüllung dieser Verheißungen zu erkennen.


Daher zielen die Erzählungen der sog. Wunder Jesu jeweils auf die Reaktion am Ende, auf das Unverständnis der Akteure, nicht auf die bloße Darstellung besonderer Vollmacht. Das Bekanntwerden der Machttaten stellt Mk als Problem dar; es ist insofern ein typisches Motiv, als Jesus es regelmäßig durch Schweigegebote zu verhindern sucht, meist ohne Erfolg. Auch hier ein Jesus an der Grenze seiner Macht.


Der Jesus des Mk lehnt die Verkündigung seiner Machttaten deshalb ab, weil sie von den Akteuren falsch verstanden und zu falscher Verkündigung führen würden. Die Pointen sind bemerkenswert, mit denen das Unverständnis, der Ungehorsam und sogar der Widerstand gegenüber Jesus erzählt werden. All dies ist ein Werk des Satans, der den Gottessohn von Beginn an auf die Probe stellt (1,13).


Das legt eine Deutung nahe: Mit Wundergeschichten lassen sich zwar Massen mobilisieren, d.h. Menschen fangen (vgl. 1,17). Das nachhaltige Vertrauen aber in die endzeitlich heilende, richtende und rettende Macht des Menschensohns gründet allein auf sein Wort.

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