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Ceterum censeo: Jesus-Biographien? Das Grundproblem (1/7)

Aktualisiert: 22. Okt. 2023



Aus Gründen, die noch zu benennen sein werden, halte ich es für falsch, wenn in der akademischen Theologie…


… Aussagen des Mk aus ihrem oft rätselhaften Kontext gerissen und unkritisch zur Gewinnung biographischen Materials verwendet werden.


Grundsätzlich ist es legitim, den Text des Mk nicht aus einer theologischen Perspektive zu lesen, sondern aus einer historischen, nach dem Motto: Wer war Jesus wirklich?

Das Problem dabei: Mk gibt darauf keine Antwort. Er lässt offen, was die historische Leben-Jesu-Forschung voraussetzen muss: inwiefern Jesus überhaupt ein Mensch war. Nach Mk kann die Frage in der Theologie nicht lauten, wer Jesus wirklich war, sondern, wer er ist; das aber ist die entscheidende Frage des Glaubens.


Die Leben-Jesu-Forschung nimmt den Text wie eine Goldmine, in der sie große Mengen an wertvollen Erkenntnissen schürfen möchte, ohne ihn zuvor auf seine rätselhafte Uneindeutigkeit oder beabsichtigten Missverständnisse untersucht zu haben. So schürft sie nicht tief genug; weder kann sie das zwischen den Zeilen verborgene Gold finden, noch die richtigen Antworten auf ihre Fragestellung.


Für die am Konstrukt eines historischen Jesus orientierte, streng faktenbasierte Forschung steht Mk als neutestamentlicher Autor – nach dem biographisch unergiebigen Paulus – Jesus zeitlich am nächsten. Als Biograph habe er die ihm zugänglichen, aus unterschiedlichen Quellen stammenden Jesus-Traditionen gesammelt, geordnet aufbereitet und für die Nachwelt erhalten. Diskutiert wird vor allem, welchen schriftstellerischen Eigenanteil Mk dabei eingebracht hat.


Auf dieser m.E. unzutreffenden, keineswegs auf Fakten basierenden Voraussetzung beruht die wissenschaftliche Praxis, im Text vermutete Jesus-Traditionen von der Redaktion des Mk zu trennen. Die Unterscheidung liegt insofern nahe, als sie die eigentümlichen Spannungen und Brüche zu erklären scheint. Dagegen lässt sich einwenden, dass gerade die Spannungen und Brüche für den Erzählstil des Mk typisch und daher als Indikatoren redaktioneller Bearbeitung ungeeignet sind. Der historische Jesus wäre demnach ein ebenso fragwürdiges Konstrukt der Forschung wie die Behauptung der dafür nötigen Jesus-Traditionen.


Meiner Meinung nach wird man es kaum anders sagen können: Mk ist ein souveräner Erzähler, der meisterhaft die Spannungen und Konflikte seiner eigenen Zeit in eine fiktive Welt Jesu zurückprojiziert. Insofern kann er keine verlässlichen Antworten darauf geben, was der historische Jesus gesagt oder getan hat, kurz: wer Jesus wirklich war.



Vorschau auf Ceterum Censeo 2/7: Jesus-Biographien: Die Familie Jesu?

Aus Gründen, die noch zu benennen sein werden, halte ich es für falsch, wenn in der akademischen Theologie…


…Aussagen des Mk über Jesus und seine Familie unkritisch als historische Realität übernommen werden.

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