Übersetzungsfehler in der Bibel: Fehler der Vulgata (1/2)
Aktualisiert: 12. Okt. 2023
Wer wird auf dem Platz neben Jesus sitzen (Mk 10,40)?
Für die es bestimmt ist – so heißt es in deutschen Übersetzungen, entsprechend der lateinischen Wendung sed quibus paratum est (10,40), die oben auf dem Bildausschnitt aus der Gutenberg-Bibel zu sehen ist, etwa in der Bildmitte. Entsprechend steht‘s geschrieben schon bei Matthäus, der den Text des Mk umgedeutet und dessen Rezeption nachhaltig geprägt hat (Mt 20,23).
Jesus antwortet hier auf Forderungen von Jakobos und Johannes. Den beiden Brüdern geht es von Anfang an um ihren endzeitlichen Lohn, was sich schon in der ersten Begegnung mit Jesus andeutet (1,20). Als sie seinem Ruf (sc. in den Tod) folgen, verlassen sie ihren Vater Zebedaios im Boot mit den Lohnempfängern und gehen weg (sic!). Der Name des Zebedaios spielt auf das hebräische Wort für schenken an (zabad).
Zuletzt waren sie selbst wohl nicht mehr in der Nachfolge Jesu, wenn sie unterwegs erst noch dazukommen, um dann in dreistem Ton ihre Forderungen zu stellen (10,35f). Jesus lässt sich auf sie ein und fragt mit ironischem Unterton, was sie denn möchten, dass er für sie tue. Daraufhin erheben sie einen endzeitlichen Machtanspruch mit der Forderung, in seiner Herrlichkeit neben ihm zu sitzen (zu deiner Rechten und zur Linken, sic! 10,37). Kurz: Sie fordern besonderen Lohn für ihren Märtyrertod.
Jesus scheint sich auch darauf einzulassen und prüft zunächst ihre Bereitschaft dazu mit seiner Doppel-Frage nach dem (Leidens-)Kelch und dem Eintauchen (10,38f; einem Verweis auf die letzte Mahlfeier). Die Brüder erklären ihre Bereitschaft, die von Jesus auch bestätigt wird. Allerdings spricht er eine entscheidende Voraussetzung nicht an: Von einer Auferstehung ist keine Rede. So wird ihnen der Lohn der beiden Ehrenplätze nicht zuteil werden können, trotz ihrer Bereitschaft zum Martyrium.
Die Antwort Jesu besagt zweierlei: Nicht er ist zuständig für die Vergabe von Ehrenplätzen, Gott allein entscheidet über die Machtverhältnisse in seinem Königtum. Zweitens werden die Plätze anderweitig besetzt sein (Anderen ist es bereitet, 10,40). Wir hätten es ahnen können, schon deshalb, weil Jesus selbst auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes sitzen wird (12,36; 14,36).
Die Antwort Jesu verrät noch etwas, indem sein Begriff für links demonstrativ ein anderer ist als der bei ihrer Frage. Es ist just derselbe, den Mk später für einen der Räuber verwendet, die rechts und links von Jesus gekreuzigt werden (15,27). Weder in lateinischen, noch in deutschen Übersetzungen ist diese Pointe erkennbar.
Seine klare Ablehnung ihrer Lohnforderung lässt sich nur in frühen Handschriften erkennen, in denen die Buchstaben noch ohne Worttrennungen und Satzzeichen unmittelbar aufeinander folgend notiert sind. Dies zeigt der Text-Ausschnitt aus dem Codes Sinaiticus (s.u.), allerdings mit der aus Matthäus übernommenen umdeutenden Einfügung: sondern denen es bereitet ist von meinem Vater (vgl. Mt 20,23).
Im Anschluss an Matthäus entschärfen die lateinische Übersetzung der Vulgata und mit ihr alle neueren Bibelausgaben die ablehnende Aussage Jesu. Da heißt es dann umständlich: sondern für die es bereitet ist (sed quibus paratum est). Das ist unsinnig, Jesus entscheidet klipp und klar: Anderen ist es bereitet.(10,40; ALLOIS, nicht ALL‘OIS).
10,39f […]
το δε καθιϲαι εκ
δεξιων μου η ε
ξ ευωνυμων ου
κ εϲτιν εμον δυο
ναι αλλοιϲ ητοι
μαϲται ϋπο του πα
τροϲ μου και ακουϲα
Hier unten im Bild noch der entsprechende Ausschnitt aus dem griechisch-lateinischen Codex Bezae, in dem es richtig übersetzt heißt: aliis paratum est, als Asyndeton, ohne das grammatikalisch störende sed.
sedere autem ad dexteram meam vel ad sinistram
non est meum dare aliis paratum est
[41] et audientes decem coeperunt indignari
(Codex Bezae, 323 r)
Vorschau: Fehler der Vulgata 4/2.
Die Ultima verba Petri (14,71)?
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