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martinzoebeley

Wer waren die mit Jesus gekreuzigten Schächer? (Mk 15,27)

Aktualisiert: 30. Okt.


Wer sind diese beiden sog. Mitgekreuzigten?


Aufmerksame Leser:innen mögen sich darüber wundern, dass im Bibeltext ein Vers fehlt. Bei Luther 1545 war er noch zu lesen: Da ward die Schrift erfüllet die da sagt / ER IST VNTER DIE VBELTHETER GERECHNET (15,28). Dagegen wird das Fehlen gelegentlich mit dem Hinweis erklärt, der Vers 28 sei aus Lukas 22,37 eingedrungen.


Diese Erklärung ist nicht allein deshalb unsinnig, weil eine Deutung oder auch nur ein einziger Vers nicht in einen Text eindringen kann wie ein Räuber in das Haus eines Starken (vgl. 3,27). Streiten lässt sich allenfalls über die Frage, ob der Vers nachträglich übernommen wurde - und wenn ja, woher. Aus dem Evangelium nach Lukas stammt er jedenfalls nicht.


Die Herkunft ist insofern klar, als der Text aus dem sog. Gottesknechts-Lied des Jesaja zitiert (Jes 53,12). Durch den verhältnismäßig konsistent überlieferten Vers 15,28 wurde den beiden Räubern des Mk eine theologische Bedeutung zuteil, entsprechend der Prophezeiung des Jesaja.


Tatsächlich verzichtet Lukas auf den Begriff der Räuber und macht sie von vorne herein zu Übeltätern (vgl. Lk 23,32). Die werden nun ausdrücklich mit Jesaja erklärt, diesmal aus dem Munde Jesu: Es mus noch das auch volendet werden an mir / das geschrieben stehet / ER IST VNTER DIE VBELTHETER GERECHNET (Lk 22,37, LUT 1545).


Warum also wird Jesus bei Mk zwischen Räubern gekreuzigt, zwischen zwei Schächern, die Luther 1545 noch als zween Mörder bezeichnet? Der fragliche Vers 28 gibt dafür einen plausiblen Grund an: weil er unter die Gesetzlosen gerechnet wurde (vgl. Jes 53,12). Die Räuber des Mk reichten nicht für diese Deutung, für den Bezug zum Gottesknechts-Lied des Jesaja.


Der alte Streit der Literarkritiker:innen, ob der fragliche Vers 15,28 nun in den Text gehört oder nicht, darf inzwischen als entschieden gelten. Mit überwältigender Mehrheit wird er heute als Einschub gewertet und folgerichtig ausgelassen. Bei den alten Handschriften war es umgekehrt; in der Masse des sog. Mehrheitstextes und der lateinischen Übersetzungen war der Vers enthalten.


Mk aber ignoriert den theologisch sinnvollen und durchaus naheliegenden Bezug zu Jesaja. Ihm geht es um etwas anderes, wenn er in 15,27 von Räubern und in 15,32 von Mitgekreuzigten spricht. Dass er gleich zweimal auf sie eingeht, hat eine konstruktive Bedeutung für die zentralen Kreuzigungs-Aussagen (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-sie-kreuzigen-ihn-doppelt-mk-15-24f).


Mk ist ein Meister der Andeutungen, der bloßen Indizien. Die Spuren gilt es detektivisch herauszufinden, wie bei der Suche nach zwei Räubern. Welche Spuren hat Mk gelegt? Können wir als Leser:innen des Mk die beiden Mitgekreuzigten ausfindig machen, vielleicht sogar ihre Namen identifizieren?


Die spätere christliche Tradition hat ihnen Namen gegeben, wiederum auf Lukas gründend, der sie zwar nicht mit Namen nennt, sie aber kontrastierend gegenüberstellt, um sie paradigmatisch zu unterscheiden. Dabei geht es Lukas nicht einfach um Gut und Böse, auch nicht um die Verheißung eines Paradieses anstelle der drohenden Verdammnis.


Mit den Übeltätern richtet Lukas den Blick auf den Gekreuzigten, konkret auf dessen Königstitel. Der eine Verbrecher bestätigt mit seiner rhetorischen Frage den Christus-Titel, wie er vom Petros des Mk behauptet wird (Bist du nicht der Christus? vgl. Mk 8,29), der andere nennt den allgemeineren Begriff eines Königtums.


Zurück zu Mk: Bei ihm steht die Christus-Frage ebenfalls im Zentrum. Hier ist sie das Thema der Oberpriester, die mit den Schreibern über Jesus spotten. Was muss das für ein Christus sein, der noch nicht einmal sich selbst retten kann! Das zeigt die für Mk typische Ironie – und hilft uns bei unserer Spurensuche ein kleines Stückchen weiter.


Die Räuber selbst äußern sich nicht direkt. Sie sind bei Mk keine eigenständigen Akteure – und deshalb auch keine historischen Reminiszenzen, mag die phantasiebegabte Mehrheit der Forscher:innen sie auch als solche interpretieren wollen.


Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Mk sie als Wegelagerer oder Banditen einführt oder auch als Aufständische einer jüdischen Befreiungsbewegung, die von Josephus als Räuber bezeichnet werden. Bei ihm sind sie nur Mitgekreuzigte - in einer auffälligen Position.


Um's kurz zu machen: Bei Mk spielen sie allegorisch auf zwei der wichtigsten Schüler Jesu an. Die beiden Mitgekreuzigten lassen sich mit den Namen von Jakobos und Johannes identifizieren. Möglicherweise wurde der Vers 28 nur eingeschoben, um davon abzulenken.


Bevor sie selbst gekreuzigt werden, gehören sie den Zwölf an - und damit dem Kreis derer, die den Christustitel vertreten. Dass mit ihm der Jesus des Mk ein zweites Mal gekreuzigt wird (15,25), wird in einem späteren Blogbeitrag zu zeigen sein.


Die Indizien des Mk sind eindeutig; seine Spuren hat er sehr bewusst gelegt. Der deutlichste Hinweis ist bei den betonten Positions-Angaben von rechts und links zu finden. Jakobos und Johannes hatten die beiden Plätze in der Herrlichkeit Jesu gefordert (10,35); ihre Ehrenplätze haben sie nun am Kreuz bekommen.


Das deutet bereits die Antwort an, die Jesus ihnen auf ihre Forderung gibt. Denn er wiederholt sie, übernimmt dabei aber nicht ihr (euphemistisches) Wort für links (ἐκ δεξιῶν καὶ εἷς ἐξ ἀριστερῶν, 10,37), sondern ersetzt es durch einen anderen Euphemismus (ἐκ δεξιῶν μου ἢ ἐξ εὐωνύμων, 10,40).


Obwohl es doch um die gleiche Aussage geht, um das Sitzen auf den beiden endzeitlichen Ehrenplätzen, ändert Jesus den Wortlaut - scheinbar grundlos. Seine Formulierung entspricht genau derjenigen, die später am Kreuz genannt wird (ἕνα ἐκ δεξιῶν καὶ ἕνα ἐξ εὐωνύμων αὐτοῦ, 15,27).


Mk stellt damit die beiden unbelehrbaren Schüler bloß, die von Anfang an im Kontext von Lohnfragen darstellt werden. Den für ihren Märtyrer-Tod geforderten Lohn gesteht er ihnen ohnehin nicht zu. Das zeigt die barsche Antwort, mit der er ihre Forderung nach den Ehrenplätzen ablehnt (Anderen ist es bereitet; 10,40; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-fehler-der-vulgata-4-1).


Insofern ist es nachvollziehbar – und ebenfalls ironisch zu deuten – , wenn die abwesenden Zehn unwillig über sie werden (10,41). Ihnen geht es nicht um die endzeitliche Position, sondern um ihre ganz aktuelle Macht, der Jesus die Aufforderung zu dienen entgegen stellt (10,43f). Die Machtkritik des Mk ist Kirchenkritik von unten - und entsprechend satirisch.


Daran schließt der Jesus des Mk die entscheidende Deutung seines Todes an (10,45). Er will sich nicht (etwa von seinen Schülern) dienen lassen, sondern selbst (zu Tisch) dienen und als gehorsamer Knecht Gottes sein Leben geben, wie es ausdrücklich heißt, als Tauschmittel anstelle von Vielen. Der Tod am Kreuz ist der Lohn, den Jesus zahlen muss.


Insofern wird das Ansinnen der beiden Söhne des Zebedaios am Kreuz erfüllt, wenn auch in ganz anderer Weise, als sie es mit ihrer dreisten Forderung erwartet hatten.


Noch ein weiteres Indiz lässt aufhorchen. In deutschen Übersetzungen heißt es in 15,32, dass sie, die beiden Mitgekreuzigten, Jesus schmähten oder auch beschimpften. Der griechische Begriff, den Mk hier verwendet, nimmt Bezug auf ihre Lohnforderung; er hat die Konnotation von „missbilligend aufrechnen“ (ωνειδιζον, 15,32).


Ein letztes Indiz: auch der Ausdruck der sog. Mitgekreuzigten ist bezeichnend. Die Vorsilbe Mit-, die wir im Deutschen etwa aus der Redewendung „mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“ kennen, ist ein Textsignal für die Schüler, die einst Mitliegende waren am Tisch mit Jesus und mit vielen anderen, auch mit Sündern und Zöllnern (vgl. 2,15).


Als Mitgekreuzigte (vgl. Gal 2,19) unterscheiden sie sich von Petros, der zuvor noch mitsterben wollte (14,31), dann aber ausgerechnet mit den Gehilfen, mit den Peinigern Jesu, mitsitzt (14,54). So hatte Jesus den Auftrag zu dienen sicher nicht gemeint.


Bleibt noch die Frage, wen der Jesus des Mk im Blick hat mit seiner Bemerkung, dass sie herausgegangen seien wie gegen einen Räuber (14,48), und was es genau mit dem Heiligtum auf sich hat, das sie zu einer Höhle von Räubern gemacht hätten (11,17).

Beides wird ein andermal Thema sein.

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