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Die Geschichte der Einsetzung der Zwölf (Mk 3,13-19)

Aktualisiert: 9. Nov.



Mit ihren satirischen Elementen ist diese Geschichte eher eine Anti-Berufungsgeschichte. Um das zu zeigen, werden zunächst einige Berufungsgeschichten zu betrachten sein.

Bei Mk sind mit dem Auftreten Jesu besondere Berufungen verbunden. Jesus ruft Männer in die Nachfolge, die nicht als Schüler dargestellt werden (z.B. 2,14; 10,21), sondern in Opposition zu ihnen. Seine Nachfolger sollen - anders als Petros - ihr Kreuz auf sich nehmen, zu Selbstverleugnung und Martyrium bereit sein (8,34) und bis zum Ende durchhalten (13,13). Auch Frauen folgen ihm nach, ohne aber von ihm berufen zu sein (vgl. 15,40f).


Mit den Schülern sind es viele geworden, die ihm nachfolgen (2,15). Das Anwachsen der Menschenmengen (vgl. 2,7; 4,1) kann als Erfolg derjenigen gelten, die Jesus nach seinem ersten Auftrag (Denkt um! 1,15) zuerst sieht und zu Menschenfischern machen soll (1,16f; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-1-16-die-netze-des-simon-und-seines-bruders). Zunehmende Probleme stellen diesen Erfolg gleichwohl in Frage (3,9; 6,31; 8,1).

Direkt nach der ersten Begegnung mit Simon (Petros) und Andreas wird parallel dazu die Berufung des Brüderpaars Jakobos und Johannes erzählt (1,19f). Im Unterschied zu den ersten beiden sind sie durch den Namen ihres Vaters (Zebedaios) als leibliche Brüder erkennbar.

Bei ihnen heißt es zunächst, dass Jesus sie ruft, ohne sie explizit in seinen Dienst oder in die Nachfolge zu berufen, dann, dass sie weggehen, ihm nach (1,20). So werden sie mit minimalem Erzähl-Aufwand als Märtyrer eingeführt. Das hat endzeitliche Lohnfragen zur Folge und eine Sonderstellung, die sie zu ihrem Vorteil ausnutzen wollen (10,35f), die Jesus ihnen aber nicht zugesteht: Anderen ist es bereitet. (sic!, 10,40; vgl: https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-fehler-der-vulgata-4-1).


Wer den Willen Gottes tut, braucht nicht eigens berufen zu werden; er gehört von vorneherein zur neuen Familie Jesu dazu (3,35). Von ihnen unterschieden sind diejenigen, die zeichenhaft draußen stehen, nämlich seine Mutter und seine Brüder, die ihn suchen (3,31; vgl. 1,37). Mit der Gegenfrage nach seiner Mutter und den Brüdern (sic!) distanziert er sich von ihnen (3,33).

Die Zwölf werden, anders als beim individuellen Ruf in die Nachfolge, kollektiv von Jesus gerufen (die er wollte, 3,13). Unkommentiert und ohne Begründung werden sie von ihm als die Zwölf eingesetzt (er machte die Zwölf, 3,14) und damit als eine feste Größe geschaffen, nicht aber als vollmächtige Führungsriege, geschweige denn als Sinnbild für ein neues Israel. Derartige Deutungen liegen Mk fern.

Auf einem Berg, dem symbolisch aufgeladenen Ort von Gesetz und Offenbarung, ruft Jesus herbei, wen er wollte, und sie gingen weg, zu ihm (sic! 3,13, vgl. 1,20).

Die von ihm geschaffenen Zwölf werden bezeichnenderweise nicht als Apostel eingesetzt. Sie sollen zunächst nur mit ihm und nur insofern für spätere apostolische Aufträge verfügbar sein (dass sie mit ihm seien, und dass er sie aussende zu verkünden, 3,14).


Der Umfang der ersten Bevollmächtigung bleibt begrenzt auf das Auswerfen von Dämonen (3,15). Später wird sie weiter eingeschränkt werden (6,7), was die Zwölf aber ignorieren (vgl. 6,12.13.30). Zur Verkündigung oder gar zur Lehre werden sie jedenfalls nicht beauftragt.


Bei ihrer späteren Aussendung spricht Jesus ironisch ihre Befugnis über die Unreinen Geister an, nicht aber deren Auswerfen (6,7). Sie aber werfen unaufgefordert viele Dämonen aus (6,13). So entspricht ihr Verhalten dem der widergöttlichen Mächte; ihr Ungehorsam ist ein Werk des Satans - alias des Petros.


Jedenfalls bleibt das Einsetzungs-Geschehen auf dem Berg äußerst kümmerlich. Ohne die Spur eines Initiationsritus, einer Theophanie oder einer Offenbarung gibt Mk der Szene so wenig Bedeutung wie irgend möglich.

So bleibt auch jede unmittelbare Reaktion der Zwölf aus. Schon mit ihrem Auftreten waren keinerlei Huldigungen oder Anrufungen Jesu verbunden, wie sie zuvor erzählt werden, sowohl von den Menschenmengen, die bei ihm hinfielen (3,10), als auch von den Unreinen Geistern, die vor ihm niederfielen (3,12).

Im Unterschied zu ihnen wissen die Zwölf anscheinend nicht, wer dieser Jesus ist, den sie später nur für ihren Lehrer halten (4,38). Sie werden es an entscheidender Stelle noch immer nicht wissen, wenn sie unsinnige Erklärungen der Menschen über ihn referieren (8,27ff).

Die von Mk teilweise erfundene Zwölferliste wird angeführt von den beiden genannten Brüderpaaren, wobei dem von Paulus als die Säulen bezeichneten Führungstrio (Petros, Jakobos, Johannes vgl. Gal 2,9) die ersten Plätz zukommen und Andreas an die vierte Stelle gerückt wird. Die Namensliste als solche wird im Rahmen dieses Blogs ein eigenes Thema sein.

Ein satirisches Moment entsteht durch den Anschluss. Wenn Mk diejenigen, die Jesus ruft, nicht klar von den Unreinen Geistern absetzt, hält er in der Schwebe, ob die Zwölf womöglich selbst zu ihnen zählen. Darauf bezieht sich umgekehrt der Vorwurf, er habe einen Unreinen Geist (3,30). Tatsächlich hat er die Zwölf.

Ein weiteres satirisches Moment ist der Anschluss der Zwölferliste, da sie auf die Nennung der Dämonen folgt (3,16). Es bleibt also nicht nur in der Schwebe, ob Mk womöglich die Namen von Unreinen Geistern aufzählt; die Frage ist auch, wie ihr Anführer zu den Dämonen steht.


Die unmittelbare Nähe des erstgenannten Petros zu den Dämonen wurde in wichtigen Handschriften durch einen unsinnigen Einschub zunichte gemacht: durch die wiederholte Angabe Er machte die Zwölf (3,15).


Ebenso unsinnig ist ein erster Einschub zuvor, der den Zwölfen von vorne herein und gegen Mk offiziell den Apostel-Status zuerkennen möchte (die er auch Apostel nannte, 3,14). Eben diesen Status stellt Mk mit allen Mitteln satirischer Erzähl-Kunst in Frage (vgl. 6,7ff).

Der kontextuell mögliche Eindruck, Mk zähle zwölf Namen Unreiner Geister auf, bestimmt jedenfalls das weitere Geschehen. Die Schreiber beziehen sich indirekt auf Petros mit ihrem verschärfenden Vorwurf, Jesus werfe mit dem Herrscher der Dämonen die Dämonen aus (3,22).

Im Klartext: Petros ist nicht nur Anführer von Unreinen Geistern, als Oberster der Dämonen gilt er als der Widersacher Gottes schlechthin, als Satan (vgl. 8,33). So gesehen kann er den Satan auch nicht auswerfen, wie Jesus ihnen in einem Rätsel erklärt (3,23).

Satirisch ist möglicherweise auch der vorangestellte Vorwurf, Jesus habe (mit Petros) den Beelzebul. Sie macht ihn zum Adressaten alttestamentlicher Polemik, allerdings in bewusst falscher Schreibweise (vgl. Baal-zebub, vgl. 2 Kön 1,2ff). Soll heißen: Die Schreiber beherrschen ihr Handwerk nicht.

Der Bezug auf Petros wird schon in denjenigen Sätzen erkennbar, die unmittelbar auf die Zwölferliste folgen. Zum einen sind jene Menschenmengen, die dem Einsatz der Menschenfischer folgen, der groteske Grund, warum Jesus nicht einmal Brot essen – sprich, das Mahl feiern kann (3,20).

Zum andern wäre hier mit einem grundsätzlichen Missverständnis aufzuräumen. Mit der Angabe die bei ihm (3,20) sind keineswegs reale oder allegorische Familienmitglieder Jesu gemeint, die ihn für verrückt erklären, tatsächlich aber erst ab 3,31 auftreten. Die Angabe bezieht sich auf die Zwölf, die schon dadurch nicht mehr mit ihm sind, wie eigentlich geplant (3,14).

Vielmehr sind sie als diejenigen zu identifizieren, die herausgehen, um ihn zu ergreifen (3,21). Die Begründung dafür ist ein hintergründiger Witz: Denn sie sagen, er ist außer sich. In ihrer Ahnungslosigkeit gegenüber Jesus haben sie insofern Recht, als er im Brot der Mahlfeier tatsächlich außer sich sein wird. Das Partizip am Satzanfang (Hörend) spielt auf Petros an, auf die Bedeutung seines hebräischen Namens Simon (er hört).

Um das komplexe Bild auf einen einfachen Nenner zu bringen: Mit der Einsetzung der Zwölf beginnt ein Problem nach dem anderen. So wird Jesus bald danach in einer Rede, die mit dem Ruf Hört! beginnt, Stellung gegen Petros beziehen, mit einem Rätsel nach dem anderen (z.B. 4,5.16; Vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markusevangelium-r-rätsel).

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