Übersetzungsfehler in der Bibel: Was heißt „in meinem Namen“? (Mk 9,38)
- martinzoebeley
- 4. Juli
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Aktualisiert: vor 7 Tagen

Der Begriff des Namens ermöglicht es, wichtige Fragen aus dem Gesandtenrecht aufzugreifen. Wer darf überhaupt in Jesu Namen sprechen? Wer ist beauftragt, im Namen Gottes zu verkündigen oder Machttaten zu tun? Und was bedeutet das für den Christus-Titel, der schon bei Mk sich als Teil des Namens Jesu erkennen lässt (vgl. 6,14)?
Die je unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs werden in einer komplexen Spruchreihe thematisiert (9,37ff), in der es um Vollmacht und Gehorsam geht. Deshalb ist sie insbesondere für den Kontext der Schüler wichtig, sei es für das Prinzip der Delegation von Aufträgen, sei es für deren Verhältnis zu Jesus, wie umgekehrt für sein Verhältnis zu Gott.
Zunächst spricht Jesus über ein Kind, das an seiner Stelle aufzunehmen sei (9,37). Mit ihm werde stellvertretend er selbst aufgenommen – und statt seiner wiederum derjenige, der ihn gesandt habe. Gott bzw. dessen jüdischer Name (JHWH) wird ausdrücklich nicht genannt.
Entscheidend für das Verständnis dieses Gebots Jesu ist, dass das von ihm umarmte und damit offenkundig geliebte Kind als ein völkerchristliches Kind zu deuten ist, als Nichtjude. Das zu akzeptieren sind die Schüler nicht bereit; sie lehnen es sogar offen ab, wenn völkerchristliche Kinder zu Jesus gebracht werden (vgl. 10,13ff, vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/aus-dem-kleinen-abc-zum-markus-evangelium-k-kinder).
Das ist darüber hinaus auch deshalb von Bedeutung, weil Jesus so vielen Akteuren, allen voran seinen judäochristlichen Schülern, deutliche Verkündigungsverbote erteilt und sie damit als seine Gesandten delegitimiert (vgl. z.B. 8,30).
Hier macht Mk erstmals die Aussendung von Nichtjuden zur offiziellen Option. Dafür gebraucht sein Jesus den noch heute rechtsrelevanten Ausdruck in meinem Namen, antikem Gesandtenrecht entsprechend.
Der in judäochristlichen Belangen führende Zebedaios-Sohn Johannes ignoriert freilich diese Ausweitung auf Nichtjuden (9,38). Mit einem harten Neueinsatz und im hoheitlichen Plural berichtet er von jemandem, der eine ihm nicht zustehende Autorität beanspruche, weil er, ohne ihnen (!) zu folgen, Machttaten tue – kraft des Namens Jesu.
Dieser Ausdruck mit der instrumental zu deutenden Präposition (ἐν) zeigt den wesentlichen Bedeutungsunterschied: Hatte Jesus zuvor von einem Aufnehmen und damit implizit von einer Sendung in seinem Namen gesprochen, so wird das von Johannes ignoriert, der sich nur gegen ein Auftreten kraft seines Namens wendet. Das allein ist es, was er der von Mk nicht näher beschriebenen Figur zum Vorwurf macht.
Und das ist es auch, was in den meisten Übersetzungen verloren geht. Schon die Tradition der Vulgata hatte bei dem Ausdruck (kraft deines Namens) ungeachtet der anderen Präposition pauschal von in nomine gesprochen. Doch lässt die abschließende Pointe Jesu sich nur als ironische Replik auf diese Ausgangsfrage des Johannes verstehen - sowie auf das für ihn typische Lohn-Thema.
In der Überlieferungsgeschichte wurde freilich nicht nur die unterschiedliche Präposition angeglichen (in deinem Namen). In der lateinischen Tradition wurde darüber hinaus die Begründung erst verschoben und dann auch noch verdoppelt. Luther übersetzt 1545 dementsprechend unsinnig: […welcher vns nicht nachfolget / […] / darumb das er vns nicht nachfolget (vgl. den entsprechenden Bild-Ausschnitt aus Luther, 1534).
Als Motiv des hier erstmals allein, ohne seinen fiktiven Bruder Jakobos auftretenden Johannes lässt Mk Neid durchschimmern. Denn auch ohne Jesus nachzufolgen, scheint es möglich zu sein, Machttaten zu tun, allein dadurch, dass sein Name dafür benutzt wird.
Wie geht das denn? Ist das überhaupt in Ordnung? – so scheint Johannes zu fragen, zumal angesichts des Gebotes, dass der Name Gottes nicht missbraucht werden darf. Er fordert daher von Jesus eine lehramtliche Klarstellung, weshalb er ihn von vorne herein als Lehrer anspricht (9,38).
Jesus wiederum verweist auf diejenigen, die offenbar unabhängig von den Schülern und doch in seinem Namen Machttaten tun. Damit nimmt er umgekehrt den entsprechenden Ausdruck des Johannes nicht auf, sondern gibt ihm zu verstehen, warum in seinem Namen diese Erzählfigur nicht daran gehindert werden soll (9,39).
Unausgesprochen ist darin eine weitere Delegitimierung erkennbar. Ihm als judäochristlicher Schüler wird zumindest in diesem Einzelfall keine hoheitliche Entscheidungsgewalt gegeben über die Frage, was in Jesu Namen geschehen darf und was nicht.
Jesus begründet das mithilfe eines scheinbar unpassenden Sinnspruchs: Wer nicht gegen uns ist, für uns ist er (9,40). Als Argument ist das erstaunlich, schon wegen der doppelten Formel gegen bzw. für uns (9,40).
Damit greift Jesus das hoheitliche Wir des Johannes auf, lässt seinen Einwand aber ins Leere laufen. Und Mk lässt zudem offen, wer mit dem Wir gemeint ist. Der Kontext könnte an die Schüler, also an die Judäochristen denken lassen, in deren Kreis Jesus sich selbst sieht.
Das erscheint allerdings fraglich, schon deshalb, weil er zuvor das Kind an seine Stelle in den Kreis gestellt hatte – und mit ihm zeichenhaft die von ihm geliebten Völkerchristen. Darüber hinaus folgt unmittelbar danach eine kryptische Warnung an die Judäochristen, konkret an diejenigen, die am Christus-Titel festhalten. Ihnen werde (nur) ein Becher Wasser angeboten (9,41), und demjenigen, der dafür sorgt, werde sein Lohn nicht vorenthalten werden.
Der Lohn ist das große Thema der beiden Brüder Jakobos und Johannes, von Anfang an (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/übersetzungsfehler-in-der-bibel-fehler-der-vulgata-4-1). Doch die Lohnfrage beantwortet Jesus hier nicht für sie, die am Christus-Titel festhalten, sondern für denjenigen, der ihnen [anstelle des Weins bei der Mahlfeier] einen Becher Wasser anbietet.
Das ist die eine Seite der Pointe, wobei der Lohn des autoritativen Amen-Wortes an den Wassergeber (vgl. 14,13) ironisch als endzeitliche Strafe zu verstehen sein dürfte.
Die andere ist, wie ungewöhnlich Jesus sich von dieser paulinisch klingenden Wendung distanziert, von der auffallenden Form des Christus-Titels. Das hier genannte Bild (‚des Christus‘ zu sein, Christus anzugehören), ist nichts, wofür Johannes einen Lohn erhalten könnte – schon aus dem einfachen Grund, weil Jesus nicht der Christus ist.
Mit anderen Worten: Wer des Christus ist, wird in einem Namen beim Becher Wasser bleiben, und wer ihm den gibt, wird seine endzeitliche Strafe dafür nicht verlieren.
Halten wir fest: In der Überlieferungstradition dieser rätselhaften Geschichte wurden zwei wesentliche Änderungen vorgenommen.
1. Zum einen wurde der Bedeutungsunterschied der beiden Ausdrücke in meinem Namen bzw. kraft meines Namens aufgehoben, indem sie aneinander angeglichen und durch die gleiche Präposition (in) wiedergegeben wurden.
2. Zum anderen wurde die Pointe aufgehoben – bzw. unverständlich gemacht dadurch, dass aus dem betont distanzierenden Ausdruck in einem Namen die vertraute Wendung in meinem Namen gemacht wurde; der Einschub des Possessivpronomens ist Unsinn (vgl. Mt 10,42: in eines Schülers Namen).
Völlig abwegig ist freilich die unmittelbar vor der entscheidenden Pointe am Ende eingezogene Überschrift in der Einheits-Übersetzung (Warnung vor der Verführung zum Bösen). Vor einer derart sinnentstellenden Aufteilung sei ausdrücklich gewarnt (vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/ceterum-censeo-zu-den-zwischen-überschriften-in-den-editionen-des-mk).
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